OK, reden wir nicht drum rum: In vielen europäischen Ländern ist Kirche, wie wir sie bisher kannten, auf dem Rückzug. Gemeinden werden kleiner, Kirchen werden geschlossen, Gemeinden zusammengelegt.
Vielleicht ist das ja auch eine Chance, uns nach Jahrhunderten, in denen wir irgendwie vor uns hin gewurschtelt haben, nochmal ganz neu zu sortieren. Zu reflektieren: Was ist denn wirklich wichtig? Wie und wo wollen wir unsere frohe Botschaft verkündigen? Wie und wo wollen wir Mission betreiben – ein Wort, das lange verpönt war, sicherlich auch deshalb, weil Missionare vor über hundert Jahren in den europäischen Kolonien nicht unbedingt immer die beste Figur gemacht haben.
Die Kirche von England, stark getroffen von den zurückgehenden Mitgliederzahlen, unterstützt schon seit vielen Jahren mutige Projekte, um ganz neue Gemeinschaften aufzubauen. Unter dem Titel „Fresh Expressions“ (neue Ausdrucksformen von Kirche) können Initiativen nahezu alles machen, solange es darauf ausgelegt ist, Gemeinschaftsformen zu entwickeln. Und: Scheitern ist ausdrücklich erlaubt. Auch in Deutschland gibt es mittlerweile eine sehr aktive FreshX-Bewegung.
Ob die Meldung, auf die wir uns heute beziehen, explizit und offiziell ein FreshX-Projekt ist, konnten wir leider nicht herausfinden. Aber es passt in die grundsätzliche Richtung: Raus aus den alten Strukturen. Da hin gehen, wo die Menschen sind. Neue Orte suchen in der Stadt, neue Formen finden, die zu den Menschen passen.
Die „Nelson Street Church“ hatte sich als Gemeinschaft bereits in der Pandemiezeit ausschließlich online getroffen. Doch seit Juli hat sie auch ein festes Heim – in der Nelson Street, Rochdale bei Manchester. Was früher einmal ein Chinarestaurant mit dem schönen Namen „Red and Hot Chinese World Buffet“ war, ist nun als Gemeindezentrum neu eröffnet worden. Wo es früher Frühlingsrollen, Peking-Ente und Reisgerichte aller Art gab, treffen sich heute Menschen zum Gebet und zum Austausch untereinander. Übrigens auch nicht am Sonntagvormittag, sondern jeden Mittwochabend. Und weiterhin auch via Zoom. Vermutlich gibt es auch hier „hotte“ (heiße oder scharfe) Diskussionen, Predigten, Bibelarbeiten.
Schade eigentlich, dass das Chinarestaurant erst weichen musste. Ich hätte mir ein joint venture sehr gut vorstellen können. Nach der Gottesdienstfeier noch gemeinsam essen? „Feierabendmahl“ nannte man so was schon vor Jahrzehnten und es war schon damals eine ganz wunderbare Sache, die sich leider nicht so ganz durchsetzen konnte. So ist es nun auch nichts anderes als ein Gemeindezentrum mitten in der Stadt mit einem neuen, jungen Konzept. Ein Gebäude, das halt schon eine Nutzungsgeschichte hat, jetzt aber zur Kirche geworden ist. Das ist schön und das kann wirklich hervorragend funktionieren. Aber ist es wirklich was Neues?
Na ja. Seien Sie froh, dass es das Chinarestaurant war. Wenn wir in der Nutzung des Gebäudes noch ein wenig weiter zurückgehen, treffen wir am gleichen Ort auf einen Nachtclub. Die Überschrift und die Anspielungen, die dabei rausgekommen wären, decken wir mal lieber mit dem Mantel des Vergessens zu.