Sterne und Halbmonde in Gold und Weiß, mit Beleuchtung oder ohne, Serviettenringe, Ausstechförmchen und Schilder mit Moscheen und der Aufschrift "Ramadan Kareem", die eine gesegnete Fastenzeit wünschen, stapeln sich in der Auslage eines Warendiscounters. Nebenan im Drogeriemarkt gibt es Kalender, die auf den ersten Blick wie verspätete Adventskalender aussehen, aber ebenfalls für die islamische Fastenzeit gedacht sind. Bis Ende März dauert für gläubige Muslime eine der wichtigsten Zeiten des Jahres, in der sie von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang weder essen noch trinken - in Erinnerung an den Propheten Mohammed, dem laut Überlieferung der Koran offenbart wurde.
"Dass es so viele Produkte zum Ramadan gibt, ist eine Entwicklung der letzten drei bis vier Jahre", sagt Imam Belmin Mehic vom Münchner Forum Islam. "Aber dieses Jahr ist es noch sichtbarer als früher." Er freut sich darüber, "denn es zeigt, dass muslimische Feste ein selbstverständlicher Bestandteil der Gesellschaft sind". Auch Betül Kocyigit von der Muslimischen Hochschulgemeinde in Würzburg findet es toll, dass es Geschenke und Dekorationsartikel inzwischen auch in ganz "normalen" Allerweltsläden zu kaufen gibt. "Vor zehn Jahren musste man dafür extra noch nach Frankfurt am Main oder so fahren", berichtet die 22-jährige Studentin.
Besonders schön findet Kocyigit das Nebeneinander der Religionen und Kulturen in den Läden. "In einem Regal steht die Osterdekoration, im nächsten die Ramadan-Sachen", sagt sie: "Da fühlt man sich als Muslim einfach noch einmal mehr als Teil dieser Gesellschaft." Ganz problemfrei findet die junge Frau den Hype um die Ramadan-Deko aber auch nicht. Der Ramadan sei schließlich die muslimische Fastenzeit, "in der man sich eigentlich vom Konsum aktiv freimachen sollte".
Imam Belmin Mehic sieht eine ähnliche Kommerzialisierung wie bei Weihnachten, bezeichnet viele der Produkte aber als durchaus authentisch. Ihm gefällt der Ramadan-Kalender besonders. "Kinder fasten nicht mit, aber um sie für das Fasten zu sensibilisieren, verzichten sie in manchen Familien in dieser Zeit auf Süßigkeiten." Jeden Abend mit Sonnenuntergang könnten sie dann ein Türchen ihres Kalenders öffnen für eine kleine Nascherei. "So etwas kenne ich aus meiner Kindheit nicht. Ich denke, das ist ein deutsches Phänomen, das vielleicht von den Adventskalendern inspiriert ist", sagt Mehic.
Ramadan-Kalender waren schnell ausverkauft
"Bei der Auswahl unseres Sortiments achten wir besonders auf die Wünsche und Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden", teilt die Pressestelle der Drogeriekette "dm" auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) mit. In Deutschland gebe es in rund 900 der mehr als 2.140 Märkte Ramadan-Kalender im Sortiment. Laut Aline Nagel, dm-Filialleiterin in Fürstenfeldbruck, waren die Kalender schnell verkauft. Gäbe es auch Dekorationsartikel im Sortiment, würde sie diese für ihre Filiale sofort bestellen, "denn die Nachfrage ist da" - vor allem in Ballungsräumen.
Bei Aldi Süd ist der Kalender laut Pressestelle erstmals in diesem Jahr in allen rund 2.000 Filialen erhältlich. Der Tedi-Bezirksleiter für den Münchner Westen, Thomas Bornkessel, sagt, dass man für jeden etwas anbieten wolle - also auch für die muslimische Kundschaft. Die Pressestelle des Warendiscounter Tedi, wo es eine große Auswahl an Dekoration und Backzubehör gibt, wollte sich auf Anfrage nicht weiter äußern. Man wolle "bewusst neutral zu gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen" bleiben.
"Die Artikel sind kommerziell ein Erfolg, aber in der aktuellen gesellschaftlichen Lage sind manche Konzerne sicher vorsichtig, sich zu äußern", vermutet Pfarrerin Mirjam Elsel, Beauftragte für Interreligiösen Dialog der evangelischen Landeskirche in Bayern. Es zeige, dass einerseits die vielen Muslime als Kundengruppe wahrgenommen würden, aber auch den großen antimuslimischen Rassismus, der dem entgegenstehe. Auf der Facebook-Seite von Tedi haben die Beiträge mit Bezügen zu Ramadan-Artikeln jedenfalls deutlich mehr Reaktionen als andere.
Mehr als 750 Menschen reagierten auf einen Post zum Ramadan-Kalender mit einem wütenden Emoticon. Von den rund 600 Kommentaren sind viele inzwischen nicht mehr zu lesen. Imam Belmin Mehic würde sich auch deshalb ein stärkeres politisches Zeichen wünschen, "dass wir als gleichberechtigter Bestandteil der Gesellschaft wahrgenommen werden". Er vermisse eine Einladung zum gemeinsamen abendlichen Fastenbrechen von der Stadt München oder auf Landesebene. "Das wäre eine sehr gute Botschaft, sowohl an die Muslime als auch an die Mehrheitsgesellschaft."