Queere Oscars?

Zoe Saldana, Gewinnerin des Preises für die beste Leistung einer Schauspielerin in einer Nebenrolle für "Emilia Perez".
Jordan Strauss/Invision/AP/dpa
Zoe Saldana, Gewinnerin des Preises für die beste Leistung einer Schauspielerin in einer Nebenrolle für "Emilia Perez".
Blog: Kreuz & Queer
Queere Oscars?
Mit Konklave und Emilia Pérez waren in diesem Jahr zwei Filme vielfach für den Oscar nominiert, die queere Bezüge haben. Wolfgang Schürger sieht in beiden auch eine tiefe theologische Dimension.

Gleich zwei Produktionen mit queeren Bezügen waren dieses Jahr vielfach für einen Oscar nominiert: Emilia Pérez und Konklave. Beide senden auch eine sehr deutliche theologische Botschaft.

Konklave von Peter Straughan kommt über weite Strecken wie ein klassisches Drama über die Intrigen im Vatikan daher: Der Papst ist unerwartet verstorben, die Kardinäle kommen zum Konklave zusammen, und dort entspinnt sich der bekannte Machtkampf zwischen Progressiven, Konservativen und Traditionalisten.

Als Außenseiter in diesem Intrigenspiel taucht Kardinal Benitez aus Kabul aus, der vom Papst heimlich zum Kardinal berufen worden ist, und damit aber als Vollmitglied am Konklave teilnehmen kann. Benitez stammt aus Mexiko und hat vor seinem Dienst in Afghanistan schon im Kongo und im Irak gewirkt. Als ein Terrorangriff Rom erschüttert und durch splitternde Fenster der Sixtinischen Kapelle selbst Teilnehmer des Konklaves verletzt werden, plädiert Benitez aufgrund seiner Erfahrung in den Krisenregionen der Welt eindringlich dafür, Gewalt nicht mit Gewalt zu beantworten, sondern sich für den Frieden unter allen Menschen einzusetzen.

Ralph Fiennes als Cardinal Lawrence in einer Szene des Films "Konklave".
In der aufgeheizten Stimmung des Konklaves, bei dem nun schon mehrere Wahlgänge kein Ergebnis gebracht haben, beeindruckt Benitez‘ Rede die Mitbrüder so sehr, dass sie ihn zum neuen Papst wählen. Kurz vor seiner Proklamation macht allerdings das Gerücht die Runde, dass Benitez kein „richtiger Mann“ sei und daher nicht zum Papst hätte gewählt werden können.

Von Kardinal Lawrence, dem Dekan des Kardinalskollegiums, darauf angesprochen, bestätigt Benitez, dass bei einer Blinddarmoperation festgestellt worden sei, dass er neben männlichen Geschlechtsorganen auch Eierstöcke habe. Er habe daraufhin mit dem verstorbenen Papst zusammen erwägt, eine geschlechtsangleichende Operation in der Schweiz vorzunehmen. Beide seien jedoch zu dem Ergebnis gekommen, die Operation nicht vorzunehmen, „da Gott mich so gewollt hat“. Lawrence vollzieht daraufhin die Proklamation, und die Menge auf dem Petersplatz jubelt Benitez zu.

In Emilia Pérez von Jacques Audiard bricht Manitas del Monte durch eine geschlechtsangleichende Operation mit seinem bisherigen Leben als mächtiger und ruchloser Boss eines Drogenkartells.

Was auf den ersten Blick ein mit hohem persönlichen Einsatz bezahlter Trick ist, um der Verfolgung durch die Staatsgewalt und verfeindete Kartelle zu entkommen, offenbart sich im Gespräch mit dem Arzt, der später die Geschlechtsumwandlung vollziehen will, als Persönlichkeitsmerkmal von Manitas/Emilia: „Ich habe immer schon wie eine Frau gefühlt“, offenbart er Dr. Wasserman, „aber ich wurde in ein Umfeld hineingeboren, in dem du nur mit Härte überleben kannst“.

Aus dem ruchlosen Manitas wird die einfühlsame Emilia, die sich von der Verzweiflung einer Mutter anrühren lässt, die auf der Suche nach ihrem Sohn ist, der von einem der Kartelle (ob es das von Manitas ist, lässt der Film offen) ermordet wurde. Mithilfe von Rita, einer Anwältin, die ihr schon bei der Geschlechtsumwandlung zur Seite gestanden hat, gründet Emilia die Organisation La Lucecita, die sich dafür einsetzt, dass Eltern zumindest die Leichen ihrer durch die Kartelle getöteten Kinder zurück erhalten. Rita und Emilia nutzen dabei natürlich geschickt die Kontakte, über die Manitas verfügt hat.

Als Person, die nun ihre Emotionen nicht mehr verdrängt, empfindet Emilia mit der Zeit aber große Sehnsucht nach ihren Kindern. Sie beauftragt Rita, ihre (Ex-)Frau, die Kinder aus der Schweiz zurück nach Mexiko zu holen. Die Cousine des verstorbenen Manitas – Emilia – würde sich dort um sie kümmern. Die emotionale Spannung, die sich ab diesem Moment in dem Film entwickelt, ist wirklich herzzerreißend: „Tante, bleib' hier, du riechst wie Papa“, bittet der Sohn, als Emilia ihn zu Bett bringt. Diese Spannung führt dann auch zu einem dramatischen Ende des Filmes.

Konklave ist über weite Strecken ein gut gemachtes Politdrama – Emilia Pérez dagegen finde ich genial, weil Jaques Audiard in einer Weise, wie das vermutlich nur der französische Film kann, Drama und Musical miteinander verbindet. Nicht umsonst hat Emilia Pérez den Oscar für den besten Song gewonnen. Zoe Saldaña beherrscht beide Genres hervorragend – und wurde zurecht zur besten Nebendarstellerin gekürt.

Dass Emilia Pérez in anderen Kategorien des Oscars nicht zum Zuge kam, hat vermutlich auch damit zu tun, dass Karla Sofia Gascón, die als transsexuelle Schauspielerin grandios Manitas/Emilia spielt, durch einige islamfeindliche Kommentare in den sozialen Medien Anstoß erregt hat. Auch dass der Film ausschließlich in Studios in Frankreich gedreht wurde und nicht an Orten in Mexiko, wurde als Kritik im Vorfeld der Oscar-Verleihung immer wieder vorgetragen.

Nicht nur die Mischung der beiden Genres Musical und Drama hat mich an Emilia Pérez beeindruckt, sondern auch, wie der Film das Thema Schuld und Vergebung bearbeitet: Der durch die Transition mit seinen Gefühlen versöhnte Manitas versucht als Emilia das Leid wieder gut zu machen, dass er unendlich vielen Familien angetan hat – und zerbricht schließlich daran, dass er/sie durch die Geschlechtsumwandlung die eigenen Kinder verloren hat.

Emilia Pérez folgt dem binären Geschlechterdenken. Konklave dagegen durchbricht dieses, wenn Benitez mit Blick auf seine männlichen und weiblichen primären Geschlechtsmerkmale feststellt „Gott hat mich so gewollt!“.

Weblinks:

Filmbeschreibung Emilia Pérez: https://de.wikipedia.org/wiki/Emilia_P%C3%A9rez

Filmbeschreibung Konklave: https://de.wikipedia.org/wiki/Konklave_(Film)

Kritik zu Konklave von Oliver Marquart: https://www.sonntagsblatt.de/artikel/kultur/oscar-gekroenter-vatikan-thriller-konklave-beginnt-konventionell-und-endet-radikal

Übersicht über die Oscar-Preisträger:innen 2025: https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/prominente/oscars-2025-gewinner-filme-schauspieler-100.html

 

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