Auerhaus
Sechs junge Menschen leben in den 80er-Jahren in einer Dorf-WG.
Nachdem der Bestseller von Bov Bjerg aus dem Jahr 2015 schon als Lesung, Hörspiel, Film und Bühnenstück adaptiert wurde, legt nun Janne Marie Dauer die Umsetzung des Coming-of-Age-Stoffs als Graphic Novel vor. Mit viel Liebe zu den Personen und reichlich für Abwechslung sorgenden visuellen Ideen, präsentiert sie die alles andere als leichte Geschichte mit beeindruckenden Aquarellen. Schauplatz ist ein altes Bauernhaus in einem Dorf in Baden-Württemberg. Die dort, obwohl sie überwiegend noch zur Schule gehen, alleinlebenden Protagonisten sind neben dem Ich-Erzähler Höppner und seiner Freundin Vera.
Frieder, der einen Selbstmordversuch hinter sich hat, Pauline, die er in der Psychiatrie kennengelernt hat, Cäcilia aus gutem Hause und Harry, der mit seinem Coming-Out kämpft und dealt. Diese Mischung sorgt gleichermaßen für gute Stimmung und Stress. Große Sorgen machen sich alle um den depressiven Frieder. Ein schöner Kunstgriff sind die beiden Versionen, wie es mit den Sechsen weiterging. Für Jugendliche und Erwachsene. Da der zugrundeliegende Roman auch Schullektüre ist, kann mit einer guten Nachfrage in Büchereien jeder Größenordnung gerechnet werden. Tobias Behnen
Auerhaus. Ill. von Janne Marie Dauer. Nach dem Roman von Bov Bjerg. Berlin: Blumenbar 2023. 267 S. : überw. Ill. ; 25 cm, ISBN 978-3-351-05105-1, geb.: 26,00 €
Zwei Leben
Zwei Frauenleben, ein Dorf, große Entscheidungen und eine Reise in die 70er Jahre.
Roberta träumt von der Mode, kommt nach einer Schneiderlehre aber wieder in das süddeutsche Dorf Salach, denn sie ist das einzige Kind auf dem elterlichen Hof und weiß, was man von ihr erwartet. Und da ist auch ihr Kindheitsfreund, der Pastorensohn Wilhelm, dem sie wieder begegnet und dem sie sich immer mehr öffnet, obwohl er doch das Dorf zum Studieren bald verlassen wird, so denkt sie. Wilhelms Mutter Gertrud hasst im Gegensatz zu Roberta das Landleben, konnte in der Enge und Kulturlosigkeit nie Wurzeln schlagen.
Nachdem Gertrud ihren Bruder Georg, einen Wissenschaftler, auf einer Vortragsreise durch Europa begleitet hat und Roberta ungewollt schwanger wird, überschlagen sich die Ereignisse und Arenz’ Protagonistinnen stehen vor großen Entscheidungen. Hier schreibt jemand, dem das Dorf vertraut ist, der es trotz aller Härten und moralischen Zwängen liebt; mit seiner starren Ordnung auf der einen und seiner Naturnähe und der körperlichen Arbeit, die auch Roberta so vertraut und lieb ist.
Nebenbei ist es auch eine berührende und augenöffnende Geschichte über eine Großvater-Enkelin Beziehung und den so wichtigen Dialog zwischen den Generationen. Ein großartiger Roman der zeigt, dass wir die, die wir lieben, immer bei uns tragen und dass das Leben oft verworrene, schmerzhafte Wege geht, die uns wachsen lassen Marie Varela
Arenz, Ewald: Zwei Leben. Roman. Ewald Arenz. Köln: DuMont 2024. 362 S. ; 21 cm, ISBN 978-3-8321-8205-2, geb.: 25,00 €
Wovon wir leben
Ein Fehler kostet Krankenschwester Julia den Job. Sie kehrt zurück in ihr Heimatdorf und sucht dort ein neues Glück.
Krankenschwester Julia, 37, begeht einen fatalen Behandlungsfehler und wird entlassen. Die Asthmatikerin beschließt, zeitweilig in ihr Heimatdorf zurückzukehren. Dort findet sie den Vater alleine vor, die Mutter hat ihn mit Ziel Sizilien verlassen. Im Dorf lernt sie Oskar kennen. Er ist, nach einem Herzinfarkt, aus der Stadt weggezogen, seinen Lebensunterhalt bestreitet er durch ein einjähriges bedingungsloses Grundeinkommen. Julias Freundin Bea verschafft ihr eine Lehrstelle in einem Architekturbüro, das eine Stunde vom Dorf entfernt liegt.
Dann überschlagen sich die Ereignisse: Julia reist nach Sizilien zur Mutter, zuhause verletzt sich der Vater schwer und wird zum Pflegefall. – Wunderschöne Sprachbilder, bedeutungsschwere Sätze, Trostlosigkeit, die aus den Seiten tropft. Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin Birgit Birnbacher erzählt in Julias vielschichtigem Elend, wie Menschen aus der Bahn geworfen werden und ihren prekären Umständen trotzdem noch ein Quäntchen Lebensmut abringen können. Kein leichter, aber ein sehr, sehr lohnender, sprachlich hervorragender Roman, der auch zu einem unverklärten Blick auf die eigene Umwelt inspiriert. Martina Mattes
Birnbacher, Birgit: Wovon wir leben. Roman. Birgit Birnbacher. Wien: Zsolnay 2023. 188 S. ; 21 cm, ISBN 978-3-552-07335-7, geb.: 24,00 €
Das ist Glück
Ein reiches Leben im armen Westen Irlands Ende der 1950er Jahre.
Ich-Erzähler Noe ist 78 und blickt auf sein Leben als 17-Jähriger zurück. Er sollte Priester werden, hat sich aber wegen einer Glaubenskrise aus dem Seminar verabschiedet und ist auf den kleinen Bauernhof seiner Großeltern bei Limerick gezogen. Mit ihnen lebt er ein einfaches harmonisches Leben in der weiten, beeindruckenden Landschaft nahe dem Atlantik, dort, wo die Armut in den schlichten Dörfern viele zur Auswanderung gezwungen hat. In der Karwoche 1958 hört der allgegenwärtige Regen plötzlich auf und die Sonne lässt die Menschen aufblühen. Noe freundet sich mit dem über 60 Jahre alten Christy, der bei ihnen vorübergehend wohnt und an der überfälligen Elektrifizierung der Gegend mitarbeitet, an - beide leiden unter Liebeskummer.
Williams gelingt es in einer unkomplizierten, aber warmen Sprache hervorragend, zu vermitteln, wie Menschen trotz materiellen Mangels ein Leben in Fülle führen können - durch ihre Beziehungen, ihren Glauben, ihre Bräuche, ihre Musik und besonders ihren Humor. Für alle, die Geschichten über das Leben an Schwellen mögen: zwischen Kindheit und Erwachsensein, zwischen Glauben und Zweifel, zwischen Tradition und Moderne. Tobias Behnen
Williams, Niall: Das ist Glück. Roman. Niall Williams. Dt. von Tanja Handels. Berlin: Ullstein 2025. 459 S. ; 21 cm, aus d. Engl. ISBN 978-3-550-20296-4, geb.: 24,99 €
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