Die Wiener Votivkirche erstrahlte vorgestern, am 25. März 2025, in einem ganz besonderen Glanz: Mit Lichterketten geschmückt, drei aufgestellten großen Leinwänden und unzähligen Sesseln, Sitzmatten und Kissen, einer kreisrunden bunten Mitte und einer Band fand gestern im Mittelschiff der berühmten neugotischen Kirche der queere Kreuzweg "Zusammen auf*brechen" statt, der über 250 Teilnehmende anzog. Neben der Band hatte ein rund 30-köpfiges Team die multimediale ökumenische Veranstaltung, die sowohl spirituelle als auch künstlerische Elemente enthielt, möglich gemacht.
"Die Atmosphäre war einzigartig", kommentierte ein:e Teilnehmer:in später. Stimmungsvoll beginnt der Abend mit "Meine Hoffnung, meine Freude", das von den Sänger:innen und der Orgel begleitet wird.
Die über sechzigjährige trans Frau, die ihren früheren Lebensort verlassen hat, stellte fest: "Oft war es in der neuen beruflichen Umgebung leichter, über meine Identität zu sprechen als in der eigenen Familie."
Der schwule Mann, der von einem geschätzten Priester hören musste: "Du hast eine Krankheit, ein Handicap, das du tragen musst für das Heil der Welt", erzählt von der langjährigen Ablehnung sich selbst gegenüber. Erst als über 30-Jähriger lernt er, zu sich selbst zu stehen. Immer wieder wird in den biografischen Zeugnissen von Depression und Suizidgedanken berichtet, da Verurteilung und das Gefühl, alleingelassen zu sein, übermächtig zu werden drohten.
Auch widerständige Momente werden erzählt: "Ihr könnt mir den Glauben und die Kirche nicht nehmen, weil die Kirche in mir lebt." Oder: "In dieser Krise habe ich Gott gefunden – und seitdem die Gewissheit, dass ich nicht allein bin." Und: "Es kommt eine Zeit, in der wir mutig sein müssen. Jetzt ist die Zeit des Mutes."
Die Worte des Psalm 31 zur ersten Station "Jesus wird verurteilt" scheinen angesichts der Hassverbrechen gegen queere Menschen, die kürzlich in Österreich publik wurden, ganz aktuell: "Ich höre viele hinter meinem Rücken tuscheln. Von allen Seiten droht mir Gefahr! Meine Feinde tun sich zusammen, um mich aus dem Weg zu räumen."
Zur Station "Jesus nimmt das Kreuz auf sich" präsentieren vier Tänzerinnen eine ausdrucksstarke Interpretation des Liedes "Carry You" von Fleurie und Ruelle.
Auch "Jesus begegnet solidarischen Menschen auf seinem Weg" ist als Station gestaltet: Die Begegnungen Jesu mit Simon und Veronika werden aktualisiert durch die Erfahrung, dass oft die Community zur "chosen family" wird, in der Unterstützung und Ermutigung geschehen. Auch die Liebesbeziehung, die mit dem Zu-sich-selbst-Stehen möglich wird, wird von einer Protagonistin als Beistand und Glück bezeichnet: "Ich habe gebetet, dass Gott mir einen Menschen zur Seite stellt."
Als Zeichen für diesen Trost sowie die Liebe und Freundschaft hängen bunte Stofftücher an den Säulen der Kirche. Viele Mitfeiernden stehen auf und beschriften diese mit aufmunternden Worten. Am Ende des Kreuzwegs können die Tücher mitgenommen werden.
Bei der Station "Jesus wird seiner Kleider beraubt" werden die Lichter und Heizstrahler in der Kirche abgedreht: Es wird dunkel und spürbar kalt. Die Erfahrung des Todes wird begleitet vom Gesang: "Jésus est mort". Teammitglied und Sänger Johannes Schmid hat das Stück aus Jean-Baptiste Lullys Oper "Alceste" mit dem Karfreitagsevangelium kombiniert und für den Kreuzweg neu arrangiert.
Doch am Ende der Feier setzt sich die Hoffnung auf Auferstehung durch: Die queere Hymne von Queen "I Want to Break Free", gesungen von der Band und den Mitfeiernden und dann durch Orgel und Cello übernommen, leitet zum Segensgebet über.
Einige Reaktionen von Besucher:innen bei Brot und Tee nach dem Kreuzweg: "Danke für den berührenden und intensiven Abend, es war sehr beeindruckend", "Ich habe mich in den Interviews total wiedergefunden", "Erhebend und ermutigend, in einem sorgsamen und liebevollen Rahmen", "Hervorzuheben ist auch die ökumenische Umsetzung", "So ist die Kirche, zu der ich gehören möchte", "Danke, dass es euch gibt!".
Das Veranstaltungs- und Organisationsteam aus rund 15 Personen wurde von Anson Samuel, katholischer Stadtjugendreferent der Diözese Linz, geleitet. Ich durfte Teil des überkonfessionellen Teams sein, das diesen unvergesslichen queeren Kreuzweg gestaltet hat. Das aufwendig und professionell kuratierte Konzept geben wir gerne an interessierte queere Gruppen oder Verbündete weiter, damit sie es in ihrer Gemeinde oder Organisation realisieren können.
"Zusammen auf*brechen" wird am 9. April in anderer Besetzung nochmals zu erleben sein: in Graz in der Pfarrkirche Hl. Schutzengel um 18:00 Uhr und in Linz in der Jugendkirche Grüner Anker um 18:30 Uhr.
Infos zum Projekt und Kontakt: Anson Samuel, anson.samuel@dioezese-linz.at
Dieser Beitrag wurde von Katharina Payk in Zusammenarbeit mit Gregor Jansen verfasst.