US-Präsident Donald Trump kennt kein Erbarmen, auch wenn ihn die anglikanische Episkopalbischöfin Mariann Edgar Budde in der National Cathedral in Washington eindringlich darum gebeten hat. Obwohl Trump erst eineinhalb Monate im Amt ist, hat er schon zahlreiche queerfeindliche Dekrete erlassen. Die meisten von ihnen richten sich gegen Transpersonen.
Trump geht es nicht nur um rechtliche Einschränkungen, sondern er möchte Transpersonen aus dem öffentlichen Leben verbannen. Auf Webseiten von US-Behörden wie dem US-Außenministerium ist nur noch von "LGB", also von "Schwulen, Lesben und Bisexuellen", die Rede - und nicht mehr von "LGBTIQ+". Das bedeutet, dass trans, queere, intersexuelle Menschen und weitere Geschlechtsidentitäten sowie andere sexuelle Orientierungen ausgelöscht werden sollen. Für mich ist das ein himmelschreiendes Unrecht. Auch auf der staatlichen Webseite des "Stonewall National Monument" wird nur noch die Formulierung "LGB" verwendet. Dabei haben Transpersonen an vorderster Front für queere Rechte gekämpft. So sind die Transfrauen Marsha P. Johnson und Sylvia Rivera wichtige Heldinnen der queeren Bewegung.
In Europa haben einige Regierungen ebenfalls Einschränkungen für Transpersonen beschlossen. In anderen Ländern wird darüber diskutiert. In Deutschland blicken Transpersonen nach den Wahlen mit Sorge auf die Verhandlungen um die Bildung einer neuen Regierung. Denn nicht nur die AfD, sondern auch die Unionsparteien CDU und CSU wollen das seit November 2024 geltende Selbstbestimmungsgesetz teilweise wieder abschaffen. Begründet wird das mit dem Kinder- und Jugendschutz. Mit dem Selbstbestimmungsrecht ist es für trans, inter und nichtbinäre Menschen leichter, den Geschlechtseintrag und den Vornamen zu ändern.
Transpersonen erleben oft Diskriminierungen
Daher widme ich meinen ersten Blog hier bei Kreuz & Queer allen Transpersonen - insbesondere allen Transkindern und Transjugendlichen. Dr. Wolfgang Schürger, hat sich vor zwei Wochen in seinem Blog "Sportverbot für Transfrauen?" mit dem Thema Trans aus humanwissenschaftlicher und theologischer Perspektive beschäftigt. Ich möchte nun einige psychotherapeutische Sichtweisen hinzufügen. Ich bin queer und Psychotherapeut. Als Psychotherapeut unterstütze und begleite ich Transpersonen. Viele von ihnen haben verschiedene Diskriminierungen erlebt. Ich lade alle Leser:innen dieses Blogs ein, sich mit der Situation von Transpersonen - insbesondere von Transjugendlichen - vertraut zu machen.
Dazu empfehle ich das jüngst erschienene Buch "Wir sind wir", in dem 18 junge Transpersonen über ihr Leben erzählen. Ich bespreche dieses Buch hier, weil mich die einzelnen Beiträge berühren. Die jungen Transpersonen berichten darin über ihr Coming-out, von Erfahrungen der Ausgrenzung, von der Transition, von schönen Momenten, aber auch von Suizidgedanken. Personen, die dadurch getriggert werden, ersuche ich, die nächsten Absätze zu überspringen. Die Lebensgeschichten sind authentisch und vermitteln einen guten Eindruck, wie es jungen Transpersonen geht.
"Ich konnte mich nicht nackt im Spiegel ansehen."
In dem Buch erzählt beispielsweise Jasper (er/ihm), dass er in der Jugend ein starkes Unwohlsein hinsichtlich des Körpers empfunden habe. "Ich konnte mich nicht nackt im Spiegel ansehen. Das habe ich einmal gemacht und bin dann komplett zusammengebrochen, hab mich arg betrunken und ein paar Tage das Bett nicht verlassen." Seine Dysphorie sei mit der Hormontherapie schnell zurückgegangen. Zwei Dinge seien für ihn wichtig gewesen: "Die Hormontherapie und einfach akzeptiert zu werden." Früher habe er täglich Suizidvorstellungen gehabt. Es habe eine Hoffnungslosigkeit gegeben. Mit der Hormontherapie sei er "zu einem sehr lebensfrohen, glücklichen, optimistischen, offenen, kommunikativen, begeisterungsfähigen, resilienten Menschen geworden", schreibt Jasper.
Eine andere Person möchte in dem Buch nicht den vollständigen Vornamen nennen. Sie wird in dem Buch mit A (er/ihm) angesprochen. A erzählt, dass er in der Schule komplett alleine gewesen sei. "Die anderen Kinder haben gemerkt, dass mit mir irgendetwas anders ist und haben mich entsprechend behandelt – haben mich ausgeschlossen und teilweise auch gemobbt." Sie hätten zu ihm gesagt, dass er irgendwie gestört wäre. A habe starke Depression gehabt und habe oft überhaupt nicht mehr leben wollen. "Wenn dir von klein auf das Gefühl gegeben wird, dass du nicht dazugehörst und dass du weniger wert bist, macht das was mit deinem Selbstvertrauen und deinem Vertrauen in die Welt", erzählt A. Er habe sich selbst stark gehasst. Seitdem er mit der Hormontherapie begonnen habe, gehe es ihm psychisch viel besser. Sein Selbstvertrauen sei gestiegen.
"Lasst die Jugendlichen für sich selber sprechen!"
Ähnliche Erfahrungen machte Coley: Seitdem Coley sich geoutet habe und Testosteron nehme, "war mein Leben nie angenehmer, und ich war nie glücklicher". Coley will queeren Personen, die es schwer haben, diese Sätze mitgeben: "Egal wie scheiße es dir gerade geht, es wird besser werden! Es lohnt sich zu kämpfen und weiterzumachen. Schlechte Zeiten bleiben nicht ewig." Von der Politik wünscht sich Coley: "Aufhören, queerfeindliche Narrative zu verbreiten und Expert:innen einbeziehen." Coley will nicht, dass "immer cis und hetero Menschen darüber entscheiden, wie queere Menschen zu leben haben". Coley hält es für notwendig, dass Erwachsene junge Menschen nicht bevormunden: "Hört den Kindern und jungen Menschen zu und lasst sie für sich selber sprechen."
Die Beiträge in dem Buch zeigen, dass es kein "richtiges" Transsein gibt, sondern viele unterschiedliche Selbstbeschreibungen von Transkindern und Transjugendlichen. Daher gehen die jungen Menschen auch verschiedene Wege der Selbstfindung.
Barmherzigkeit im biblischen Sinne
Anknüpfend an die eingangs zitierten Worte von Bischöfin Mariann Edgar Budde appelliere ich daher, mit Transpersonen, insbesondere mit Transkindern und Transjugendlichen, Erbarmen zu haben. Ich meine mit der Bitte um Erbarmen aber nicht eine demütigende Unterwerfungsgeste vor einem übermächtigen Gegner wie dem US-Präsidenten. In der österreichischen Tageszeitung "Standard" bezeichnete die Journalistin und Buchautorin Solmaz Khorsand die Predigt der Bischöfin als frommen "Kniefall vor dem Tyrannen, dem man hilflos ausgeliefert ist". Für Solmaz Khorsand bedeutet der Appell der Bischöfin: "Ich bin besiegt, ich habe nichts mehr, womit ich mich verteidigen kann."
Ich sehe die Aufforderung, Erbarmen zu haben, ein wenig anders. Für mich geht es hier nicht um eine Niederlage oder eine Demutsgeste, sondern um Erbarmen und Barmherzigkeit im biblischen Sinn. Menschen, die Barmherzigkeit zeigen, haben Einfühlungsvermögen. Sie verstehen emotional die Situation von anderen Personen. Sie zeigen Mitgefühl und versuchen, andere Menschen zu unterstützen, falls dies gewünscht wird. Wobei es hilfreich ist, wenn wir immer wieder Erbarmen mit uns selbst haben. Mit persönlich gefällt das Wort Barmherzigkeit besser. Denn hier wird deutlich, dass beim Zuhören, beim Einfühlungsvermögen und bei der Unterstützung unser Herz involviert ist. In diesem Sinne lade ich dazu ein, Transpersonen zuzuhören und ihnen unser Herz zu öffnen. Lassen wir uns von ihren Lebensgeschichten innerlich berühren, zeigen wir Mitgefühl und unterstützen wir sie nach unseren Möglichkeiten.
Buchempfehlung:
Kobai Halstenberg: "Wir sind wir – Junge trans* Menschen erzählen." - Starkes Porträt junger trans* Menschen voller Hoffnung und Mut, das Orientierung bietet. Illustriert von: Vanessa Mundle. 350 Seiten. Verlag Fischer Sauerländer. Frankfurt am Main 2024.