Rest in Peace and Power!

Imam Muhsin Hendricks am 2.9.2016 in Kapstadt
Blog: kreuz & queer
Rest in Peace and Power!
Muhis Hendricks war schwul, Person of Color und Imam. Im Februar 2025 ist er ermordet worden. Sein Vermächtnis geht weiter. Aber er wird weltweit betrauert und schmerzlich vermisst.

Die Fastenzeit ist schon über einen Monat alt. Für mich geht darum innezuhalten, ruhig zu werden und mich zu fragen: Worum geht´s hier eigentlich? Worauf kommt es an? Ich denke in diesen Tagen dabei vor allem an meinen ermordeten Freund Muhsin Hendricks.

Die Welt ist komplett aus den Fugen geraten. Trump überzieht die ganze Welt mit Zöllen und einem völlig wahnsinnigen Handelskrieg. Rechte Narrative sickern immer stärker in unseren Alltag: Geflüchtete, Person of Color, queere Personen und andere Minderheiten seien an allem, was schief läuft, schuld. Sie nutzen demokratische Rechte, um ihre menschenfeindlichen rechtspopulistischen Agenden durchzusetzen. Trump faselt jetzt schon von einer dritten Amtszeit, bzw. davon, dass es gar nicht mehr nötig sein wird, zu wählen. Will heißen: er meint, dass er als der aller größte Autokrat aller Zeiten einfach weitermachen könnte.

Ich bin froh, dass letztes Wochenende überall in den USA und auch in Europa Hunderttausende auf die Straße gegangen sind, um gegen die Zollpolitik und die Einschränkung demokratischer Institutionen und Einrichtungen zu protestieren. Der demokratische Senator Cory Anthony Booker aus New Jersey hat Anfang letzter Woche mit 25 Stunden die längste je gehaltene Rede vorm US-Senat gehalten und in aller Deutlichkeit gegen die rücksichtslosen Haushaltskürzungen des DOGE-Projekts und gegen die Kündigung von Tausenden Mitarbeiter*innen protestiert. Er schloss seinen Redemarathon mit einem Zitat des US-Amerikanischen Bürgerrechtlers John Lewis (1940 - 2020):

„Geht hinaus und verursacht guten Ärger, notwendigen Ärger, um die Seele unserer Nation zu erlösen. Ich möchte, dass Sie den Traum erlösen. Lasst uns in Amerika mutig sein.“

Mutig sein. Dazu rufen dieser Tage ganz unterschiedliche Leute auf. Da ist zum einen die Bischöfin Mariann Edgar Budde aus Washington DC, die Donald Trump schon beim Festgottesdienst direkt nach der Amtseinführung im Januar ins Gewissen geredet hat und deutliche Worte fand: Er sollte Mitmenschlichkeit und Barmherzigkeit gegenüber denen zeigen, gegen die er sich schon lange hasserfüllt eingeschossen hat: Geflüchtete, Migrant*innen ohne Papiere, queere Personen und andere Menschen aus Minderheitengruppen. Allein diese Bitte um Mitmenschlichkeit reichte aus, dass Donald Trump Mariann Budde zu einer linksradikalen Trumphasserin abgestempelt hat. Sie sollte sich bei ihm entschuldigen. Budde erklärte daraufhin, dass sie sich nicht dafür entschuldigen würde, den mächtigsten Mann der Welt um Mitmenschlichkeit und Barmherzigkeit gebeten zu haben. Eine mutige Frau! Sie und ihre Familie erhalten seitdem allerdings Morddrohungen. Sie ist zur Erzfeindin der MAGA-Bewegung (Make America Great Again) geworden. 

Mutig sein. Darauf kommt es also in diesen Tagen offensichtlich an. Aber so einfach ist das nicht. Denn mutig sein heißt auch, ein Risiko einzugehen. Das ist für die meisten ambivalent und keinesfalls einfach, geschweige dann selbstverständlich. Mutig sein, kann sogar lebensgefährlich sein. Diese Einsicht sitzt mir seit Mitte Februar ganz persönlich tief in den Knochen.

Denn einer, der sehr mutig war, hat seinen Mut mit seinem Leben bezahlt: Der schwule Imam Muhsin Hendricks wurde am 15. Februar 2025 von einem maskierten Mann erschossen. Muhsin war auf dem Weg, zwei lesbische Frauen in Bethelsdorp in der Nähe seiner Heimatstadt Cape Town/Südafrika in einer privaten Feier zu segnen. Das war mutig für alle Beteiligten. Denn obwohl Lesben und Schwule laut Verfassung in Südafrika gleichberechtigt sind, sieht der Alltag für viele queere Personen in Südafrika ganz anders aus. Es gibt Ausgrenzung, Gewalt, Übergriffe, so genannte korrektive Vergewaltigungen lesbischer Frauen und vieles mehr. Muhsin Hendricks Auto wurde auf dem Weg zur Feier von einem anderen Auto gestoppt. Ein maskierter Mann rannte aus dem Auto und erschoss Muhsin Hendricks mitten am Tag. Der maskierte Mörder und ein zweiter maskierter Fahrer konnten unerkannt fliehen. Es wird davon ausgegangen, dass es ein queerfeindliches Hassverbrechen war. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie es den beiden lesbischen Frauen geht, die mit ihren Freund*innen auf Muhsin Hendricks gewartet haben, um gesegnet zu werden. Es sollte ihr schönster Tag werden. Tatsächlich wurde daraus ein brutaler Alptraum für alle, die Mushin kannten und die ihn betrauern und vermissen.

Ich habe Muhsin Hendricks vor fast 20 Jahren auf einer ILGA World (International Gay, Lesbian, Bisexual, Trans and Intersex Association) Konferenz in Genf kennen gelernt. Wir nahmen beide an der interreligiösen Vorkonferenz teil, in der sich queere Menschen unterschiedlicher Religionen und Glaubensgemeinschaften ausgetauscht haben zu Fragen von Queerfeindlichkeit in verschiedenen Religionen. 2017 trafen wir uns auf dem Kirchentag in Berlin auf einem internationalen Podium wieder. Auch online blieben wir miteinander verbunden. 

Muhsin Hendricks war ein sehr mutiger Mensch. Er war warmherzig, gastfreundlich und humorvoll. Er war Person of Color und schwul. Er war Imam und Aktivist. Er gründete die Gruppe „Inner Circle“ für queere Muslime. Sie war ein sicherer Ort für queere Muslime, die weit über Cape Town ausstrahlte. Er war seit 2018 auch Geschäftsführer für die "Al-Ghurbaah Foundation", eine queer muslimische Stiftung und ein Zentrum für Aufklärungs- und Informationsangebote für queere Muslime und ihre Familien und Freund*innen.

Als Muhsin Hendricks ermordet wurde und sich am nächsten Tag die schreckliche Kunde im Internet verbreitete, waren auch muslimische Mitglieder der Rainbow-Refugees in Mainz und Rheinlandpfalz total geschockt. Egal ob sie aus Afghanistan, Syrien, Saudi Arabien oder der Türkei kommen. Sie alle kannten Muhsin Hendricks. Er war für sie ein personifiziertes Hoffnungszeichen, dass muslimisch und queer sein sehr wohl zusammen gehört. Wir haben in der Hochschulgemeinde in Mainz einen Gedenk- und Trauergottesdienst zu Ehren von Muhsin Hendricks gefeiert. Erinnerung, Trauer und Schweigen angesichts seines Todes haben viele zusammen gebracht. Es hat gut getan. Aber der schreckliche Mord wird dadurch nicht ungeschehen. Der riesige Verlust, Schmerz und Trauer bleiben.

Muhsin war mutig. Er war sichtbar, er war bekannt und hat zahlreichen queeren Personen online und offline Hoffnung geschenkt. Aber er hat dafür persönlich einen hohen Preis gezahlt. 

Muhsin Hendricks war auch nach Hannover zum Kirchentag Anfang Mai 2025 eingeladen. Er sollte am Podium „Celebrating Pride and Diversity. Against Racism, Queerphobia and Right Wing Populism” teilnehmen. Ich hatte mich so darauf gefreut, ihn wieder zu sehen und mit ihm gemeinsam Zeit zu verbringen. Nun ist er genau aus dem Grund ermordet worden, worüber wir in Hannover diskutieren werden. Es wird in Hannover eine Schweigeminute für ihn geben. Sein Stuhl wird leer bleiben.

Mutig sein, auch gegen die Angst. Das bleibt so dringend nötig in dieser Zeit, die aus den Fugen geraten ist. Aber es ist genauso wichtig, sich nicht isolieren zu lassen und sich gegenseitig zu unterstützen und zu schützen. Denn Mut kann lebensgefährlich sein.

Rest in Peace and Power, lieber Muhsin. Wir werden dich nicht vergessen und dein Vermächtnis weitergeben! 

Zum Weiterlesen:

Muhsin Hendricks, Muslimisch und schwul in Südafrika, in: Versöhnung von den Rändern her. Persönliche Geschichten von queeren Gläubigen, hg. Kerstin Söderblom, Martin Frank-Coulbeaut, Misza Czerniak, Pearl Wong (2022), S. 62 f.  (letzter Zugriff 6. April 2025)

Mariann Edgar Budde, Mutig sein, Frankfurt am Main 2025

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