Ich habe einen guten Freund in den Staaten. Roberto heißt er. Wir haben uns auf einer Konferenz kennengelernt. Über queere und politische Theologie kamen wir ins Gespräch. Und aus der gegenseitigen Sympathie wuchs schnell eine freundschaftliche Beziehung – auch über Kontinente und Zeitzonen hinweg. Zu Weihnachten haben wir uns Bilder in lustigen Weihnachtspullis geschickt und im neuen Jahr tauschten wir Gedanken zu unseren Vorträgen und Arbeiten aus. Wir teilen Alltag und unsere Liebe für queere und politische Theologie und Arbeit miteinander. Und wir teilen noch eine Sache. Wenn etwas passiert, klopfen wir beieinander an: "Hey, ich wollte nur mal hören, wie es dir geht?" Diese Nachricht hat Roberto seit der Wahl von Trump ein paarmal von mir bekommen. Und in der letzten Woche schrieb er mir dann: "Wir machen uns Sorgen um dich und deine Familie. Wie geht es euch?" Ich muss Roberto nicht viel erklären. Er weiß, was es bedeutet, offen queer zu leben. Und er weiß, was es bedeutet, in einer Gesellschaft zu leben, in der die rechte Rhetorik und deren politischer Machtaufbau viel zu gut funktionieren.
Und da lag das Thema auf dem Tisch: Sorge. Darüber haben wir viel in diesen Tagen gesprochen. Roberto sagte zu mir, dass er mit der aktuellen Situation und den kommenden Jahren unter Trump auf eine ganz spezielle Weise umgehen möchte: I want to put care into everything I do. Ein starker Satz. Der lässt sich gar nicht so leicht übertragen. Vielleicht so: Ich möchte bei allem, was ich tue, Sorgfalt/Fürsorge/Sorgearbeit walten lassen. "Und was mach ich mit den ganzen Gefühlen, die in mir wuseln?", fragte ich. "Auch das gehört dazu", antwortete Roberto, "ebenso fürsorglich mit den eigenen Emotionen umgehen. Auch mit der Wut und der Angst." Er gibt gleich ein Care-Paket mit an die Hand: Einatmen, Wut verorten, mit der Wut arbeiten, ausatmen. Zwischen Reiz und Reaktion, da liegt ein Raum, der Freiheit eröffnet (frei nach Viktor Frankl).
Aus der Sorge Fürsorge machen
Aus der Sorge die Fürsorge machen. Das bringt bei mir ganz viel zum Schwingen und vor allem stärkt es mir den Rücken. Das kann ich ganz konkret im Kleinen. Meine Beziehungen und Netzwerke stärken. Solidarisch sein mit denen, die sich auch sorgen (müssen). Mit auf die Straße gehen, mich in der Nachbarschaft und auf der Arbeit vernetzen und sorgfältig das Meinige tun. Die Sorge ins Zentrum stellen. Da verknüpft sich aber auch meine kleine Welt mit der Großen. Da sind die Utopien, die andere schon vorgedacht haben: Eine care-zentrierten Ökonomie zum Beispiel. Oder eine Gemeinschaft, die die Bedürfnisse aller deckt und nicht einfach nur neue Bedürfnisse weckt. Oder von einem Zusammenleben, das die gegenseitige Fürsorge ins Zentrum stellt und nicht den Logiken von Wachstum und Profiten folgen muss.
Aus der Sorge Fürsorge machen. Da steckt Musik drin. Und ich merke in diesen Tagen eine tiefe Dankbarkeit für die Verbündeten, die Netzwerke, die Möglichkeiten sich organisieren und protestieren zu können. Ich bin dankbar für die Trotzkraft und dafür Teil einer Gemeinschaft zu sein, die die Hoffnung nicht ableitet aus dem, was ist, sondern aus dem, was sein könnte. Und ich stimme mit Roberto ein: I want to put care into everything I do. Ich möchte bei allem, was ich tue, Fürsorge walten lassen. Und zwar nicht so, dass ich mich vergesse oder gar ausbrenne. Sondern so, dass Gemeinschaft entsteht, die sich auch um/für mich sorgen kann. Es ist Zeit Für.Sorge. Auch über Grenzen und Zeitzonen hinweg – "Hey I just wanted to check in and see how your are doing."