TV-Tipp: "Tod am Rennsteig: Haus der Toten"

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13. März, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Tod am Rennsteig: Haus der Toten"
Der sehenswerte Auftakt der Reihe, "Auge um Auge" (2023), erzählte eine clevere Story, war gut gespielt und toll fotografiert. Der zweite Film, "Haus der Toten", ist nicht minder sehenswert. Geht es doch bei der Auslöschung einer italienischen Familie um die Frage, ob die Mafia ihre Hände im Spiel hat.

Die Forensik ist ein weites Feld. Zu den Fachgebieten, mit deren Hilfe Kriminalfälle aufgeklärt werden, gehören unter anderem die Rechtsmedizin, sämtliche naturwissenschaftliche Bereiche sowie die Psychologie. Dank der Überflutung des TV-Angebots mit Krimis sind längst so gut wie alle Spielarten ausgeschöpft. Mit "Tod am Rennsteig" haben der MDR und die ARD-Tochter Degeto tatsächlich noch eine wenig bekannte Facette entdeckt: Die Mitglieder der Abteilung Operative Fallanalyse (OFA) sollen für Erkenntnisgewinn sorgen, wo übliche Ermittlungsmethoden an ihre Grenzen stoßen. Zentrale Figuren sind Kriminalpsychologin Schuster (Kristin Suckow) und Profiler Kawig (Bernhard Conrad).

Der sehenswerte Auftakt der Reihe, "Auge um Auge" (2023), erzählte eine clevere Story, war gut gespielt und toll fotografiert. Der zweite Film, "Haus der Toten", ist nicht minder sehenswert, zumal sich das Drehbuch (diesmal Jens Köster) nun auf die Arbeit der OFA konzentrieren kann. Im ersten Film gab es noch gewisse Animositäten zwischen den Hauptfiguren, weil Kawig überzeugt war, Schuster sei nur auf der "Durchreise". Die streng faktenorientierte Psychologin war zudem irritiert, dass der Kollege vor allem auf sein Bauchgefühl hörte. Da die Ecken und Kanten jetzt abgeschliffen sind, muss die mütterliche Teamchefin (Ann-Kathrin Gummich) die beiden nicht mehr zur Ordnung rufen.

Besondere Brisanz bekommt der Fall, weil die Staatsanwältin die Zuständigkeiten ignoriert: Nach der Auslöschung einer italienischen Familie, die im Thüringer Wald ein Restaurant betrieben hat, deuten alle Anzeichen auf einen Mord durch die Mafia hin. Das wäre eigentlich eine Sache für die Organisierte Kriminalität, aber Lisa Rossmann (Saman Giraud) traut dem Abteilungsleiter nicht, und das völlig zu Recht, wie Krimifans umgehend erkennen, weil Guido Renner den Mann ziemlich zwielichtig verkörpert. Ein allzu unübersehbar inszeniertes Detail legt zudem viel zu früh die Ahnung nahe, dass sich die Ereignisse ganz anders abgespielt haben könnten, als der Anschein vermuten lässt, was wiederum den Überraschungseffekt der Auflösung erheblich minimiert. 

Davon abgesehen ist der gebürtigen Schwedin Carolina Hellsgård, die zuletzt zwei gute Episoden  für die ARD-Reihe "Der Barcelona-Krimi" (2022) und eine Neuverfilmung des Kästner-Klassikers "Das fliegende Klassenzimmer" (2023) gedreht hat, gerade auch dank der ausgezeichneten Bildgestaltung (Patrick Orth) ein durchgehend fesselnder Krimi gelungen. Schon der Auftakt ist äußerst gelungen, als sich die Drohnenkamera am späten Abend einem Haus nähert und nun von außen durch die Fenster den mörderischen Spuren folgt, die eine schemenhafte Gestalt drinnen hinterlässt; anschließend fährt die Person mit einem Motorrad davon.

Dieser Prolog ist ungeschnitten, eine handwerklich faszinierende spätere Szene lebt dagegen gerade von der Montage: Zu den zentralen OFA-Aufgaben gehört die detaillierte Rekonstruktion einer Tat. Zu diesem Zweck wird unter anderem mit Modellen gearbeitet. Hellsgård zeigt nun im Schnittwechsel mit dem maßstabsgetreu nachgebauten Haus, wie das Team den Ablauf in der Mordnacht nachstellt. Das Domizil der Familie, eine über 150 Jahre alte Villa, spielt auf diese Weise quasi eine weitere Hauptrolle.

Wichtigste der Figur der Geschichte neben Schuster und Kawig ist die von Mariella Aumann mit großer Präsenz verkörperte Rebecca. Das sechzehnjährige Mädchen ist die einzige Überlebende der Mordnacht. Kawig entdeckt sie in einem versteckten Rückzugsraum. Rebecca steht unter Schock, ihr fehlt jegliche Erinnerung. Ihre Psyche, erkennt Schuster, hat das traumatische Ereignis abgespaltet und in einem abgelegenen Winkel verborgen. Falls Rebecca Zeugin war, wie ihre Eltern sowie Onkel und Tante hingerichtet wurden, schwebt sie in großer Gefahr. Die Psychologin wird zu ihrer Bezugsperson. Dass die entsprechenden Szenen so gut funktionieren, liegt auch an der Sachlichkeit, mit der Kristin Suckow ihre Rolle verkörpert: Die Emotionen überlässt sie Mariella Aumann, die zuletzt schon als Titeldarstellerin des Films "Die einzige Zeugin" (2025) aus der ZDF-Reihe "Unter anderen Umständen" sehr überzeugte.
Interessant ist natürlich auch der Hintergrund. Dass die ermordete Familie Verbindungen zur ursprünglich kalabrischen ’Ndrangheta hatte, steht recht bald außer Frage. Es mag weit hergeholt klingen, dass sich die Mafia im Thüringer Wald tummelt, basiert aber auf Tatsachen: Nach dem Mauerfall hat die Mafia umgehend erkannt, wie gut sich Ostdeutschland zur Geldwäsche eignet, und dort viel Geld investiert.