Constanze Pott ist erste trans Frau im Kirchenparlament

Novum in bayerischer Kirchengeschichte
Constanze Pott ist erste trans Frau im Kirchenparlament
Von ihrem Arbeitgeber wurde Constanze Pott aktiv in der Transition unterstützt, in ihrer Landeskirche gibt es keine vergleichbaren Ansprechstrukturen. Ihr Outing als trans Frau vor dem bayerischen Kirchenparlament ist trotzdem geglückt.

Das hat es in der Geschichte der bayerischen Landeskirche noch nicht gegeben (nein, ich meine jetzt nicht das ursprüngliche Patt bei der Bischofswahl): Am Morgen des zweiten Sitzungstages der Frühjahrssynode 2023 kündigte das Präsidium einige persönliche Statements an. Nach dem ergebnislosen Wahltag am Vortag waren dies zunächst die Bischofskandidatin und der Bischofskandidat, doch danach trat Constanze Pott an das Pult und stellte sich den Mitgliedern der Landessynode und den anwesenden Gästen in einer bewegenden Rede als trans Frau vor:

"Ganz herzlichen Dank, liebe Kathrin [die Präsidentin der Landessynode], dass Du mir die Gelegenheit gibst, mich als Frau Dr. Constanze Pott auf diese Weise vorzustellen. Ich tue dies vor allem um Klarheit und Vertrauen zu schaffen.

Geehrtes Präsidium, hohe Synode, geehrter Landesbischof, verehrtes Publikum,

vergangenen Mittwoch schrieb ich eine Email an circa 200 Kolleginnen und Kollegen in meiner Abteilung und in meinem  beruflichen Umfeld. Der Betreff war angelehnt an eine Schokoladen-Werbung aus den 90ern und sagte in etwa 'Aus Philipp wird Constanze - sonst ändert sich nix'.

Man kennt das Transgender-Thema aus den Medien und vielleicht auch im Bekanntenkreis und unterstützt das natürlich alles. Aber nun ein Kollege? Der Philipp, mit dem ich so gerne zusammengearbeitet habe? Mutig! Respekt! Aber irgendwie auch ein letzter Zeit absehbar? Die Reaktion meiner Kolleg:innen jedenfalls war sehr offenherzig, wertschätzend, durch die Bank positiv und bekräftigend. Mein Arbeitgeber unterstützt mich hier in vielfältiger Weise. Willkommen in der Gesellschaft! Zumindest in dem Anteil der in der Blase der Arbeitswelt sichtbar wird.

Manchmal kam auch die Frage auf: 'Wie willst Du es Deiner Kirche beibringen?'. Sie müssen wissen, ich trage meinen Glauben, meine Kirche auf der Zunge. 'Bist Du eigentlich evangelisch oder katholisch?'. 'Ah, na dann'. 'Irgendwie scheint Deine Religiosität etwas Besonderes zu sein, dir Kraft und Gewissheit zu geben'. Wie heißt es noch im Römer-Brief? 'Ich schäme mich des Evangeliums nicht!'. Als hätte sich Saulus zur Pauline gewandelt…

Nein, ich schäme mich meines Glaubens und meiner Kirche nicht! Diese Offenheit und tiefe spirituelle Erfahrung, die Leidenschaft für neue, spannende  Dinge, die Begeisterung mit tollen Menschen zusammenzuarbeiten und die Gewissheit von einem Geist der steten Erneuerung getragen zu sein, die wird auch bei mir bleiben, da ändert sich nix - ob das nun im beruflichen oder im synodalen Umfeld ist! Und liebe Konsynodale, ich erlebe diese Landessynode als wirklich besondere Gemeinschaft!

Manchmal müssen wir neu anfangen, die Perspektive wechseln oder auf eine Transition gehen oder vielleicht etwas anders oder gar quer denken. Auch wenn man(n) wie ich das 30/40 Jahre anders gemacht und gelernt hat und doch eigentlich nur krampfhaft verdrängt oder vergessen hat. Das kann eine Befreiung sein, ein Bekenntnis, ein Neuanfang!

Denn eigentlich sieht Gott mich an. 'Er ist ein Gott der mich ansieht', der mich bei aller Verzagtheit ermutigt, zurückzugehen in das Leben und einen Neuanfang zu wagen, um vielfältig Frucht zu geben für seine Sache, für sein Volk. Die Jahreslosung von 2023 aus Genesis hat mich tief beeindruckt und bestärkt diesen Weg zu gehen.

Liebe Konsynodale, wenn Ihnen das alles ungeheuer ist, wenn Sie sagen 'Das entspricht nicht meinem Verständnis', 'In diesem Lichte möchte ich uns oder mich nicht sehen' oder 'Was hat das mit Kirche und Glauben zu tun?', dann bitte, bitte suchen Sie doch gerne das Gespräch mit mir! Oder wie Jesus Christus in meinem Konfirmationsspruch in Matthäus 7 spricht: Bittet so wird euch gegeben, suchet so werdet ihr finden, klopft an so wird euch aufgetan. Wenn Sie also Fragen, Zweifel oder eine andere Meinung zu meiner Transition, Transgender oder anderen queren Themen in der Kirche haben, dann klopfen Sie an und versuchen Sie zu verstehen. Sonst ändert sich nix."

Langanhaltender Applaus im Stehen machte deutlich, dass die Mitglieder der Landessynode die Transition von Constanze Pott genauso offenherzig würdigten wie schon vorher die Arbeitskolleg:innen.

Ihr Arbeitgeber, erzählt Constanze Pott, hat eine eigene Ansprechstelle für Menschen, die über Transition nachdenken oder sich in dieser befinden. In vielen DAX-Unternehmen sei inzwischen die Überzeugung gewachsen, dass Diversität die Arbeitsabläufe und das Miteinander im Betrieb bereichere - und ein Arbeitgeber, der keine Sensibilität für Diversität habe, für neue Mitarbeitende unattraktiv sei. Es nimmt also nicht Wunder, dass 11 der 30 DAX-Unternehmen Netzwerke für LGBTIQ+ Mitarbeitende haben und diese aktiv unterstützen.

In der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern gibt es solche expliziten Ansprechstrukturen für LGBTIQ+ (noch) nicht. Für die Fachstelle Chancengerechtigkeit ist Gender-Diversität ein Thema unter vielen, im Lesbisch-Schwulen Konvent haben queere haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende sich immerhin selbst eine Vernetzung geschaffen. Unterstützung hat Constanze Pott dennoch gefunden: Die Nürnberger Regionalbischöfin Elisabeth Hann-von-Weyhern habe sie auf ihrem Weg begleitet.

Weblinks:
DAX-Unternehmen und Diversität
Diversity-Statement von Siemens

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