Wegbeten: Rezension zu "Pray Away"

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Wegbeten: Rezension zu "Pray Away"
Die Netflix-Doku "Pray Away" zeigt, was religiöse "Konversionstherapien" im Leben von LGBTIQ-Menschen anrichten.

Nichts für schwache Nerven ist die kürzlich auf Netflix erschienene Dokumentation "Pray Away", in der ehemalige Vertreter:innen der Ex-Gay-Bewegung zu Wort kommen. Anführer:innen von Exodus International, einer Organisation, die seit den 1970ern bis 2003 sogenannte Konversionstherapien durchführte, beschreiben ihre Taten, ihre Überzeugungen, aber auch ihre Schmerzen und Zerwürfnisse mit sich selbst und ihrem Glauben zu dieser Zeit. Und: Was hat sie zur Umkehr bewegt?

Der Film dokumentiert den Selbsthass, die Selbstverletzung und die Ängste der queeren Menschen, die sich den "Ex-Gays" angeschlossen haben. Manche dieser Menschen nahmen – und nehmen sich bis heute – das Leben.

Einer der Gründer von "Exodus", Michael Bussee, wurde wiederum zu einer Leitfigur der "Ex-Ex-Gays", jener Aussteiger:innen, die sich der selbstbestimmten LGBT-Bewegung anschlossen und mit der christlich-fundamentalistischen Homofeindlichkeit brachen.

Yvette, eine der Protagonist:innen des Films wurde als damalige "Ex-Lesbe" von der sog. Ex-Gay-Bewegung medial gepusht. In einem Fernsehinterview betonte sie damals, wie gefährlich der homosexuelle Lebensstil sein, indem sie Freunde erwähnte, die an AIDS gestorben seien. Bei den Dreharbeiten des Films sitzt sie zwischen alten VHS-Kassetten, beschriftet etwa mit "Out of the Closet into Jesus", die ihre Auftritte dokumentieren. Sie wolle diese Aufzeichnungen als Teil ihrer Vergangenheit aufheben, sagt sie und atmet dabei mehrmals tief durch, was zeigt, wie schwer ihr die Auseinandersetzung damit fällt. Yvette änderte ihren Kurs, als sich bei ihr Panikattacken einstellten und eine Therapeutin ihr eine posttraumatische Belastungsstörung attestierte.

Julie, die zur Jugend-Ikone von Exodus International gemacht wurde und dort mehrere Jahrzehnte mit daran arbeitete, dass Menschen ihr homosexuelles Begehren und Lieben unterdrückten, fügte sich während dieser Zeit jedoch immer wieder selbst Schnittwunden zu, aus Selbsthass. So erklärt sie am Ende des Films, als Szenen ihrer freudigen Hochzeit mit ihrer Partnerin eingeblendet werden: "Ich litt unter einem Trauma und unter extremem Selbsthass, aber ich habe überlebt, und bin glücklich und habe eine Person gefunden, die ich sehr liebe. Es geht uns gut. Doch das geht es nicht allen. (…) Ich wünschte, die Ex-Gay-Anführer:innen würden uns zuhören und uns glauben, dass wir viel glücklicher und gesünder sind, seit wir nicht mehr dazu gehören."

Die Menschen in "Pray Away" erzählen ihre teils sehr intimen Geschichten, denn sie handeln von gefühlten Schmerzen, Scham und Schuld. Innerhalb der Biografien erfährt man, was sie zum Einstieg in Exodus Int. motiviert hat, und auch, was ihnen die Augen und Türen geöffnet hat zu einem selbstbestimmten Leben als lesbischer, schwuler oder bisexueller Mensch, der sich als Teil der wunderbaren Schöpfung Gottes begreifen darf.

Einzig Jeffrey, der von sich selbst sagt, er habe sein Leben als schwuler Mann und trans Frau überwunden, und der weiterhin haarsträubende Botschaften unter dem Deckmantel der Liebe Gottes verbreitet, bleibt im Film bei seiner Überzeugung. Die Regisseurin vermag allerdings, auch diese Lebensgeschichte – ohne sie zu bewerten – einzubetten in einen Film, der queere Lebensentwürfe bejaht und feiert. Eine berührende und lehrreiche Dokumentation, die einmal mehr daran erinnert, wie wichtig es ist, queere Menschen in Kirche und Gemeinde als solche explizit zu feiern und willkommen zu heißen.

"Pray Away", USA 2020, Regie: Kristine Stolakis, auf Netflix verfügbar

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