Sprechen Sie katholisch?

Sprachwissenschaften
Sprechen Sie katholisch?
Eine Sprachwissenschaftlerin sagt: Katholiken sprechen anders als Protestanten.

Was wäre Religion ohne Sprache? Sie wäre, jedenfalls in der Form, wie wir sie kennen, nicht möglich. Klar, ein paar meditative oder ekstatische Tänze gehen auch mit Uga-Uga oder Aaaaah. Aber wenn es um die wirklich wichtigen Fragen geht, kommen wir um zum Teil komplexe Sprachmuster gar nicht herum. Wer ist Gott? Wie ist er? Oder sie? (Da fängt’s ja schon an.) Wie ist Gott zu uns? Warum lässt Gott Leid zu? Und so weiter. Ein kleines wortloses Meditatiönchen reicht da sicher nicht aus, sorry.

Auch Martin Luther hatte das erkannt, ja, er sogar ganz besonders. Selbst mit einer gewissen Sprachgewalt ausgestattet, brachte er Unmengen seiner theologischen Überzeugungen zu Papier, übersetzte die Bibel, dichtete Lieder für die ganz wichtigen Botschaften und und und. Kein Wunder, dass Luther damit die deutsche Sprache prägte und das zum Teil bis heute tut, über 500 Jahre nach der Reformation.

Kein Wunder aber auch, dass sich diese sprachliche Entwicklung vor allem auf die Gebiete konzentrierte, die in der Folge evangelisch wurden. Die Katholiken blieben von derlei neumodischem Sprachzeugs weitgehend verschont. Und da es jahrhundertelang nur eine begrenzte Vermischung zwischen den eher katholischen und den eher evangelischen Gegenden gab und man sowieso lieber unter sich blieb und mit „diesen Ketzern“ und ihrer Sprache nichts zu tun haben wollte, gab und gibt es so manchen Unterschied in der Sprache.

Die Sprachwissenschaftlerin und Theologin Anna-Maria Balbach hat genau über dieses Thema ihre Dissertation geschrieben. In ihrem aktuellen Projekt beschäftigt sie sich nun mit „Sprache und Konfession im Radio“ an der Westfälischen Wilhelms Universität. Dazu untesuchte sie knapp 3000 Radiosendungen „Kirche in 1LIVE“ der letzten zehn Jahre. Maximal 90 Sekunden, Zielgruppe: Junge Menschen zwischen 14 und 29 Jahren. Etwa die Hälfte der Radioandachten katholisch, die andere evangelisch. Ergebnis: Es gibt nicht nur sprachliche Unterschiede, sondern auch thematische. Katholiken, so Balbach, äußerten sich häufiger zu gesellschaftlichen Themen, während die evangelischen Kolleginnen und Kollegen eher versuchten, einen biblischen Bezug herzustellen, wodurch sie oft weniger persönlich werden.

Ganz deutlich ist der Unterschied beim Bezug zur Kirche: Während die katholischen Autorinnen und Autoren häufig über „die Kirche“ sprechen und dann meist sogar „meine Kirche“ sagen, ist das evangelischerseits überhaupt kein Thema. Die reden dafür öfter über Gott. Spannendes Ergebnis: „Über Jesus sprechen die Konfessionen in den letzten Jahren gleich häufig, aber mit einem zeitlichen Unterschied: Katholiken sprechen rund um Ostern eher von Jesus, Protestanten an Weihnachten.“

Auch sonst ist die persönliche Beziehung in den katholischen Rundfunkandachten eher im Vordergrund als bei den Protestanten. „Mein Glaube“. „Mein Gott“: So etwas würde sich eine evangelische Rundfunkandachterin kaum trauen.

Die Katholiken machen die persönlicheren Andachten? Ehrlich gesagt, das gefällt mir so gar nicht. Widerlegen kann ich es aber auch nicht. Ein wenig mag es aber auch daran liegen, dass die katholischen und evangelischen Teams bei diesem einen untersuchten Sender sehr unterschiedlich aufgestellt sind. Vielleicht sind’s ja auch nur statistische Ausrutscher. Wobei, tatsächlich: Von „meiner Kirche“ oder auch „meinem Gott“ würde ich wohl eher nicht reden, würde versuchen, meine Beziehung anders auszudrücken. Raten Sie mal, welche Konfession ich habe. (OK, nicht schwierig auf dieser Website.)

Demnächst bin ich wieder dran mit einer Woche Andachten bei unserem Lokalsender. Mal sehen, ob ich ein „meine Kirche“ oder „mein Gott“ über die Lippen kriege. Mein Gott, das kann doch nicht so schwer sein!

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