Schwimmbadkirche

Schwimmbadkirche
Dass das heutige Wetter Höllenqualitäten hat, haben wir ja neulich schon mal festgestellt. In der Tat schreibe ich diesen Eintrag bei leicht sommerlich übertriebenen Temperaturen auf meiner Terrasse und trinke zur Abkühlung einen warmen Kaffee. Auch unser Familienpool im Garten bietet keine besondere Abkühlung mehr - die Wassertemperatur nähert sich langsam, aber sicher dem Siedepunkt von Wasser an. Wie schön wäre es nun doch, im kühlen Nass baden zu können! Beispielsweise in einer Kirche. Da ist es normalerweise sowieso ein paar Grad kälter als draußen (normalerweise - ich habe heute morgen davon nichts gemerkt). Leider, leider gibt es aber in unseren Breiten selten die Tradition der Ganzkörpertaufe, so dass auch ein erfrischendes Bad im Taufstein ausfällt. Da hilft dann eigentlich nur noch St. Petersburg. Eine Kirche mit komplettem Schwimmbecken. Leider ist auch dort das Becken nicht länger in Betrieb, doch die Geschichte dieses Bauwerks ist so ungewöhnlich, dass sie uns am heutigen Tag zur geistigen Abkühlung dienen mag.####LINKS####Es war einmal eine richtig große evangelische Gemeinde in St. Petersburg. 18000 Mitglieder soll sie gezählt haben. St. Petri: Eine prachtvolle Kirche im Zentrum der Stadt; an der Orgel hat auch schon Tschaikowsky gespielt. Doch dann kam ein gewisser Herr Stalin an die Macht. Warum er etwas gegen die Christen hatte, können wir ihn leider nicht mehr fragen. Vielleicht, weil die schon knapp 2000 Jahre vor ihm den Kommunismus erfunden hatten? (Vgl. die Apostelgeschichte, "sie teilten untereinander und hatten alles gemeinsam.")Jedenfalls - Weihnachten 1937 fanden die evangelischen Christen ihre Kirche endgültig zugesperrt. Die wertvollen Kunstwerke wurden staatlicherseits entfernt, liegen heute noch zum Teil in Museen. Lange diente die Kirche einfach als Lagerhalle, bis die Stadt in der Chrustchow-Zeit ein neues Schwimmbad benötigte. Zentrale Lage in der Stadt - und gleichzeitig den Christen zeigen, wer jetzt hier das Sagen hat! Jawohl: In den Bauch der Kirche wurde ein Schwimmbecken eingebaut. Sprungturm im Altarraum. Statt Emporen Zuschauertribünen. So fand diese Kirche einen neuen Verwendungszweck, irgendwie auch wieder zum Wohle der Menschen, wenn auch sicher anders, als die Erbauer sich das ursprünglich gedacht hatten.Aus heutiger Sicht denke ich mir: Was für eine missionarische Chance! Die Christen hätten ja nur ein wenig das Gerücht verbreiten müssen, dass dieses Schwimmbecken natürlich mit Taufwasser gefüllt ist und jeder, der dort schwimmt, automatisch getaufter Christ wird. Stellen Sie sich diese Diskussionen in St. Petersburg vor, ob gefahrloses Schwimmen in Taufwasser möglich ist! Ja, wir haben leicht reden. Es war eine andere, angstvollere und wohl auch gefährlichere Zeit, in der die letzten Pfarrer dieser Kirche einfach so erschossen wurden. Da kommen einem solche Ideen nicht.Heute jedenfalls ist es andersrum: Die Kirche ist wieder Kirche. Doch das Schwimmbecken konnte aus statischen Gründen nicht mehr entfernt werden. So wurde kurzerhand oben drüber ein neuer Boden eingezogen. Die alten Tribünen sind wieder Emporen. Manche Kunstwerke haben ihren Weg zurück in die Kirche gefunden. Doch schwimmen kann man in dieser Kirche nun leider auch wieder nicht. Höchstens vielleicht im Taufstein.

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