Jesus und der Kirchgemeinderat (KGR)
Als Jesus erneut eine Kirchgemeinderats-Sitzung erwartete, hatte er grad vorher einem Kind die lahmen Beine wieder gefügig gemacht, die Leute beschworen, darüber den Mund zu halten (was sie nicht taten) und war nun guter Dinge.
Als er an die Tagesordnung dachte, die bevorstand, senkte sich seine Laune:
- Die Einstellung eines professionellen Heilers stand auf dem Programm,
- der Vorsitzende hatte sich mit dem Orts-Geistlichen gezankt über das Programm beim Gemeinde-Fest. Das musste also geschlichtet werden,
- dann gab es Zahlungsverzug und Beschwerden von den örtlichen Getreidehändlern, weil die Gemeinde praktisch pleite war.
Der Schatzmeister war krank, hatte aber niemandem Einblick in seine Rechnungen gewährt. So tappte man im Dunkeln.
Jesus war seinerzeit einfaches Mitglied des KGRs und ernsthaft willens, die institutionellen Folgen seines eigenen Wirkens zu erleben. Er wollte es wissen. Er hatte beschlossen kennenzulernen, wie sich Kirche aufführt, nachdem sie ihre ersten frisch verliebten Zeiten hinter sich hat. Er erlebte das Gezänk um die Spenden, die Affären zwischen Männern und Frauen in der Gemeinde, die kleinen und großen Gottesdienste, die Jubiläen, das Glück und die Langeweile der Kinder, wenn die Großen ihnen von Jesus erzählten. Er gestaltete – als man es ihm antrug - sogar selbst Gemeindeausflüge, natürlich zu Fuß und mit Picknick, gern auch Brot brechend. Man lobte ihn auch dafür, freiwillige Frauen packten Proviant.
Für die nächste Sitzung hatte er eine sog. ‚Andacht‘ übernommen. Vor jedem Treffen, bevor man also die Kasse prüfte und Leute einstellte, gab es die Sitte besinnlicher Minuten, gern auch versetzt mit etwas Gesang. Meist gingen diese Akte vom dafür bezahlten Orts-Geistlichen aus, aber der hatte in einer Art Übermut (oder war es Arbeitsverweigerung?) empfohlen, Mitglieder des KGRs sollten das jetzt auch mal übernehmen. Der Kämmerer hatte sich mit viel Geräusch geweigert (dafür werde der Geistliche schließlich bezahlt) und wurde dann wie gesagt krank.
Aber Jesus wollte es ausprobieren. Er fragte sich beim Verzehr eines Apfels, was den leitenden Herrschaften wohl die rechte Erbauung bringen möchte. Bücher gabs ja kaum, in denen man hätte nachschlagen können, also war Jesus angewiesen auf den Fundus der Tora, die er in Teilen auswendig könnte. Aber das erschien ihm irgendwie abgestanden. Er wollte ihnen etwas aus seinem Leben erzählen. Schließlich gab es die Gemeinde vorwiegend seinetwegen.
Abends tagte man und Jesu andächtiger Einsatz stand unmittelbar bevor. Er hatte sich ausgedacht, der KGR solle davon hören, wie er mit dem Teufel in der Wüste gerungen und das einigermaßen aufrecht bestanden hatte. Das wäre vermutlich ein gutes Lehrstück in den Zeiten der Anfechtung, denen wir ja alle immer wieder ausgesetzt sind.
Die Männer (und eine der zwei Frauen) erschienen aber nur sehr zögerlich zur Sitzung: Eine halbe Stunde nach dem offiziellen Beginn waren erst knapp die Hälfte der Mitglieder da, sie waren also nicht beschlussfähig - das hatte Jesus schon gelernt. Da half auch keine Andacht. Außerdem wirkten die Anwesenden eher bedrückt. Also hielt er mit Andächtigem an sich und äußerte seinen Eindruck vom Zustand der Leute. Sie drucksten herum und berichteten dann, der abwesende Kämmerer habe gerade Kummer, weil sein Sohn sich mit der Klassenkasse aus dem Staub gemacht und in einer Höhle versteckt habe. Der Rest des KGRs sei dort und versuche der Höhle den Jungen und dem Jungen die Kasse zu entlocken. Eine Debatte um Beschlussfähigkeit schloss sich an, aber Jesus beendete diese harsch und ordnete an, man solle jetzt gemeinsam zur Höhle gehen - alle. Man schaute ihn verdutzt an, denn so deutlich wurde er sonst kaum - und fügte sich.
Beim vertrackten Ort angekommen sah man den halben Kirchgemeinderat vor dem kindergroßen Eingang der Höhle stehen und drohende Wörter ins Dunkle schleudern. Ohne sichtbaren Effekt. Jesus sah sich das an, schob sich seine Kapuze über den Kopf und wackelte auf allen Vieren in die Höhle, ohne Licht und Ton. Darauf wurde es draußen still, man flüsterte nur, was das nun werden solle. So ging eine Viertelstunde hin, bis von drinnen der Ruf Jesu erklang: „Holt seinen Vater, den Kämmerer - sofort!“. Man sah geschüttelte Köpfe und den Jüngsten aus dem KGR in Richtung Dorf davonlaufen.
Nach etwa einer Stunde war alles vorüber. Vater und Sohn erschienen etwas derangiert und verdreckt am Höhleneingang, die Augen naß. „Es ist alles ok!“ verkündete der Vater und durchschritt mit seinem Sohn die Menge Arm in Arm. Wer auf eine öffentliche Züchtigung gehofft hatte, wurde enttäuscht.
Nun sehen wir auch Jesus auf allen Vieren rückwärts aus der Höhle kriechen. Er richtet sich auf, schüttelt Staub von den Schultern und erinnert die Anwesenden an die bevorstehende Sitzung: „Wir sind schon über die Zeit,“ sagt er, „lasst uns ins Gemeinschaftshaus gehen. Meine Andacht erzähle ich Euch beim nächsten Mal.“
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