Einfach Stille

Einfach Stille
Von Zeit zu Zeit die Welt beobachten. Und heute, am Weltfrauentag, natürlich alle die, die keine Cis-Männer sind.

Wir nämlich, so meine ich, halten den Laden am Laufen. Weltweit. Und in Deutschland auch.
Wir verrichten 2/3 aller unbezahlten Carearbeit.
Und haben im Ausgleich nur 20 % Redeanteil in Oscar-prämierten Hollywoodfilmen.
Wir bekommen im Schnitt fast 50% weniger Rente in Deutschland, stellen aber jetzt immerhin eine von fünf Staatssekretär*innen im Bundesinnenministerium.

Die Carearbeit machen wir übrigens nicht nur zuhause, sondern auch im Job. Auch in der evangelischen Kirche, wo wir theoretisch die gleichen Chancen haben, praktisch aber auf Konferenzen, Vorträgen und in Podcasts gern mal fast nur Männer sprechen (etwa mit so viel Redeanteil wie im Film „No Country for old Man“ - nämlich 85 %). Wo von 20 Bischöf*innen genau 3 (bald 4) keine weißen Cis-Männer über 50 sind. Wo auch dort, wo gezielt nach Kandidatinnen gesucht wird, sich fast keine finden (die Gründe sind mannigfaltig: man lese u.a. nach bei Eva Illouz).

Meine Kirche, wo Männer gerne davon reden, dass es doch bei uns so viel besser sei als in der katholischen Kirche - und die gleichen Männer, wenn man sie auffordert, Frauen zuzuhören, sich über eine beim männlichen Chef beschweren (der natürlich findet, dass man Männern so was nicht sagen kann). Die gleichen Männer sehen an mir vorbei, versunken in Monologen. Die gleichen Männer übernehmen Tag für Tag die Ideen, Texte, Theologien von Frauen und anderen - ohne Credits, ohne Danke, ohne Quellenangabe. Die gleichen Männer haben immer und immer Zeit für noch ein Buch und noch einen Aufsatz und noch einen Vorsitz in noch einem Gremium. Und natürlich auch für noch ein Zwinkersmilie.

Der Lyriker und Essayist Max Czollek hat für diesen 8. März heute vorgeschlagen, dass „Cis-Typen einfach einen Tag lang nix tweeten und nix posten. Einfach Stille & zuhören, was alle anderen zu sagen haben“.
Und ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll - denn dieser Kleinstwunsch ist natürlich völlig utopisch. Auch unter dem Facebook-Post zu diesem Text wird 1000% sofort ein Mann auftauchen, der mir erklären wird, wie falsch ich das sehe und wie es richtig ist und dass schließlich #notallmen. Und wenn evangelisch.de nicht rechtzeitig blockt, sicher auch irgendwas mit f***en. Zu besichtigen ist dieses unschöne Phänomen übrigens derzeit auf den Social-Media-Accounts der EKBO, wo Leute es nicht aushalten, wenn Gott „sie“ genannt wird oder irgendwo ein Gendersternchen zu sehen ist.

Jedenfalls. Wo war ich. Ach ja, es ist Weltfrauentag. Es ist Frauenkampftag und ich bin es leid zu kämpfen. Das Leben ist anstrengend genug. Ich bin sowieso dauernd müde und Pandemie ist ja auch immer noch.

 

Ich schlage also für heute und für diese Woche zwei erfreuliche Aufgaben vor:

1. Schreibe, tape, spraye deinen Namen in GROSSBUCHSTABEN dorthin, wo er gesehen wird (auf diese Idee brachte mich die Künstlerin ORLAN, die ihren Namen immer in Großbuchstaben schreibt).

Oder:

2. Lies eine Woche lang nur Texte von Menschen, die keine Cis-Männer sind. Und ansonsten: einfach Stille.

Wähle die Aufgabe, die dir eigenartiger vorkommt. Sie wird die richtige sein.

Und vergiß nicht:
So spricht die Ewige: Gott bin ich und kein Mann. (Hosea 11,9)

 

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