Wir an den Tischen

Geistvoll in die Woche
Wir an den Tischen
Ein Brief an alle, die aufgeben wollen.

Er kommt einfach in die Küche. Ich bin noch mitten zwischen den Töpfen. Er setzt sich an den Tisch. Und wartet. Dabei gibt es noch so viel zu tun. Weder Teller noch Besteck sind auf dem Tisch. Keine Gläser. Die Getränke fehlen noch. Untersetzer, Zulegbesteck. Die Kartoffeln könnten abgegossen werden und das Gemüse in die Schüssel getan. Es ist noch die Soße aus dem Kühlschrank zu holen und die Kerze anzuzünden. Es gibt noch so viel zu tun. Ich stehe zwischen den Töpfen und er setzt sich einfach hin. Er meint es nicht böse. Er verlässt sich darauf, dass Mama das schon macht. 

Manchmal denke ich, Jesus geht es so. Gerade in diesen Tagen. Dass wir uns an den Tisch setzen und er sich fragt, warum wir nicht beim Decken helfen. Die großen Krüge mit der Barmherzigkeit auf den Tisch stellen und sie austeilen in die Becher. Das dürfte nicht so schwer sein. Das Besteck der Klarheit im Reden miteinander, der Genauigkeit, Sachlichkeit und auch Behutsamkeit neben die Teller legen. Die Teller, auf denen das Leben serviert, verzehrt und genossen wird. Und dann auftischen mit dem Besten. Die Teller zu füllen mit Scheiben vom Brot der Gerechtigkeit und den Früchten der "Einander-so-seinlassen-Liebe". Dazu Schönheit und Güte. Als Nahrung. Nicht als Deko.

Jesus steht zwischen den Töpfen und wir setzen uns an den Tisch. Ja, manchmal, wenn man müde und angerissen in die Lebensweltküche kommt, nach einem schweren Tag, dann ist es richtig, dass man da am Tisch sitzen kann. Und man bekommt noch einen warmen Kakao spezial. Und eine Hand auf die Schulter. Du auch. Du kannst da auch so sitzen, wenn Du mal wieder angerissen bist und durstig. Da sitzen und nur atmen müssen, da, am himmelnahen "Wieder-gut-werden-Tisch". Um dann wieder mit aufstehen zu können, den Tisch zu decken. Vielleicht sogar Blumen der Hoffnung aus dem Garten zu holen. Auf jeden Fall aber die Krüge der Barmherzigkeit zu füllen und auszuschenken. Die Teller füllen. Gucken, was noch fehlt für das Mahl… 

... Lieber M.

Diesen Text habe ich für Dich geschrieben. Erst neulich hast Du geschrieben, dass Du so verzweifelst. Und ich habe gespürt, wie Du Dich nicht mehr zurechtfindest in unserer Gesellschaft - mit queer und öko und rechts und links. Und wie Du als Christ einfach Deinen Platz nicht findest und das Gefühl hast, das Ende der Welt ist nahe. Und Du Dich nur noch hinsetzen und warten kannst, dass Jesus kommt. Nur noch am Tisch sitzen kannst, müde, tatenlos, Jesus machen lassen und warten, dass er tut. So hast Du es mir geschrieben: „Ich wünsche mir eigentlich, dass Jesus bald kommt, ich finde mich nicht mehr zurecht.“ 

Lieber M.

Ich wünsche Dir, dass Du spürst, dass jemand an diesem Tisch mit einem Kakao auf Dich wartet und nicht mit der Endzeit. Ob das Ende der Welt gerade kommt, wissen wir beide nicht, aber wir wissen, dass Jesus uns immerzu an den Tisch winkt, zum Heilwerden und zum Einschenken und Mitdecken. Ich wünsche Dir, dass Du zugreifen kannst, vielleicht mal den Krug herüber reichst. Wir sind ja viele an dem Tisch. Spürst Du das? 

Und bitte, wir brauchen Dich sehr. Gerade brauchen wir jede Hand. Wir müssen weiter machen damit, die Krüge der Barmherzigkeit zu füllen. Die Teller der Gerechtigkeit sind gerade oft leer. Die Töpfe füllen sich nicht so, wie es verzehrt wird. Viele sitzen durstig am Tisch. Lass uns der Menschenfreundlichkeit den Tisch bereiten. Wie in einer großen Familie - wenn alle mit anfassen, dann können wir es schaffen. Darum können wir auf Dich nicht verzichten. 

Komm schon. 

#challenge: diese Woche jemandem etwas auf den Teller des Lebens legen

P.S. Jesus wäre #wählen gegangen... 

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