Eine Kasualie für Trans*menschen

Eine Kasualie für Trans*menschen
Foto: QuiKT
Dass es sinnvoll und wichtig wäre, Trans*menschen in ihrer Transition eine geeignete Kasualie, also kirchliche (Amts-)Handlung, anzubieten, das findet QuiKT - die Arbeitsgruppe Queer in Kirche und Theologie - und arbeitet derzeit ein geeignetes Liturgiekonzept aus. Ich finde das spannend und möchte QuiKT gerne mit diesem heutigen Blogeintrag unterstützen.

Auf dem Kirchentag in Stuttgart im Juni 2015 besuchte ich eine Veranstaltung zu Trans* und Liturgie, bei der die Frage nach einer Kasualie für Trans*menschen diskutiert wurde. Ich lernte dort u.a. Thorsten Maruschke, Pfarrer in der Evangelischen Kirche von Westfalen, kennen, der die Veranstaltung mitorganisiert hat. Er ist Mitinitiator und Mitglied des offenen Arbeitskreises QuiKt, der sich - erst eher unverbindlich - 2013 beim Kirchentag in Hamburg gründete und beim Stuttgarter Kirchentag im Juni 2015 erstmals als Veranstalter unter dem Namen QuiKT auftrat. QuiKT setzt sich derzeit dafür ein, die Transition einer Trans*person in die Liturgie eines Gottesdienstes zu integrieren, und zwar in Form einer Kasualie.

Pfarrer Thorsten Maruschke (T. M.) stand mir Rede und Antwort in einem Interview für Kreuz und Queer.

K. P.: Lieber Thorsten, erzähl‘ uns ein wenig über QuiKT! Wie seid ihr organisiert, wie oft, wo trefft ihr euch?

T. M.: Wir verstehen uns als offene Arbeitsgruppe, die zu queeren Themen arbeitet, die in Kirche und/oder Theologie Relevanz haben oder haben sollten. Letzteres sehen wir bei unserem derzeitigen Projekt, einer Kasualie für Trans*Menschen, die sie liturgisch-seelsorglich in ihrer Transition begleiten soll. Was danach kommt, wissen wir noch nicht. Erst einmal glauben wir, dass wir damit genug zu tun haben werden, weil doch eine Menge Unwissen, Halbwissen und Ängste zu überwinden sein werden.

Wir wollen uns ab dem zweiten Halbjahr 2015 vierteljährlich zu einer Tagesveranstaltung treffen. Wir treffen uns an verschiedenen Orten in verschiedenen Städten Deutschlands. Wer hinzu kommen mag, ist herzlich willkommen. Eine Homepage quikt.de ist momentan noch im Aufbau und soll bald online gehen. In der Zwischenzeit sind wir am besten unter quikt@web.de zu erreichen.

In der nächsten Zeit wird es darum gehen, die Anregungen, die wir beim Stuttgarter Kirchentag für unseren Entwurf einer Kasualie erhalten haben, auszuwerten und den Entwurf fortzuschreiben. An eine erste Veröffentlichung unserer Überlegungen möglichst noch in diesem Jahr ist ebenfalls gedacht.

Wir sind eine kleine, aber schlagkräftige Gruppe. Die Veranstaltung auf dem Kirchentag haben wir z.B. nur zu fünft organisiert. Wir hoffen sehr, dass sich der Kreis der Interessierten und vor allem der aktiv Mitdenkenden erweitert. Das ist auch wichtig, um in vielen Kirchen beheimatet zu sein. Momentan kommen wir aus der Hannoverschen, der Hessen-Nassauischen, der Westfälischen und der Nordkirche. Wir konzentrieren uns zunächst auf die evangelischen Landeskirchen. Einige von uns sind Theolog*innen, aber auch andere Berufsgruppen sind vertreten.

K. P.: Welche Rolle spielt die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität bei euch?

T. M.: In QuiKT lebt die Vielfalt. Bei uns kommen Cis*- wie Trans*Menschen, hetero- und homosexuelle Menschen zusammen. Uns eint weder die sexuelle noch die Geschlechtsidentität, sondern der Respekt vor der Identität der anderen.

K. P.: Euer derzeitiges Projekt ist die Etablierung einer Kasualie für Trans*menschen, etwa vergleichbar mit einem Taufritus. Der Transitionsprozess als ein wichtiger Abschnitt und Einschnitt im Leben einer Trans*person soll liturgisch gefeiert werden können. Wie geht ihr dieses Projekt an?

T. M.: In vielen Landeskirchen ist dazu zunächst eine Bewusstseinsbildung nötig, worum es bei Transidentität überhaupt geht. Erst danach werden wir wohl diskutieren können, warum eine gottesdienstliche Begleitung an dieser Lebenswende nötig ist und wie sie auszugestalten ist. Das wird kirchenpolitisch ein längerer Weg. Hoffentlich dauert er nicht so lange wie die Debatten um die Segnung homosexueller Partnerschaften.

Wir lassen uns aber davon nicht aufhalten und gehen in unseren Überlegungen fröhlich voran: Ein erster liturgischer Entwurf mit Beispieltexten ist ausgearbeitet und soll demnächst auf unserer Website für alle zugänglich gemacht werden. Erste Termine für Transitionsfeiern sind vereinbart. Wir sind wahnsinnig gespannt auf die Erfahrungen aus der Praxis. Wir bitten alle, die mit unserem Liturgie-Vorschlag arbeiten, um Rückmeldungen, die wir in einem Blog auf unserer Website dokumentieren werden. So wird unser Entwurf fortgeschrieben, erweitert und stetig verbessert.

K. P.: Du sprichst die zähen Veränderungsprozesse rund um Segnung/Trauung von gleichgeschlechtlichen Paaren an. Habt ihr dazu eine konkrete Position?

T. M.: Darüber haben wir uns bisher nicht ausgetauscht, denn alle Energie fließt in die neue Kasualie. Es geht aber in beiden Fällen um eine ähnliche Frage, nämlich um den verantwortlichen Umgang mit den Schöpfungsgaben Gottes und um den Umgang der Kirche damit. Kein Trans*Mensch sollte seine Identität verleugnen müssen und darauf verzichten, zu werden wer sie*er ist. Ebenso wenig sollte ein homosexueller Mensch seine Identität verleugnen und darauf verzichten, Sexualität als gute Gabe Gottes zu leben. Wenn beide das tun, indem sie verantwortlich mit ihrem Körper – immerhin auch ein Geschenk Gottes – und dem geliebten Menschen umgehen, dann besteht für die Gemeinde Christi kein Grund, das zu verurteilen, im Gegenteil: Die Kirche hat allen Grund, sich darüber zu freuen, das auch zum Ausdruck zu bringen und es zu feiern. Prof. Bubmann hat auf unserem Kirchentagspodium so schön gesagt (sinngemäß): „Beim Segen Gottes müssen wir keine Angst haben, dass er knapp werden könnte.“

K. P.: Was können deines Erachtens evangelische Kirchen für Homo- und Bisexuelle und Trans*menschen tun? Wo siehst du Handlungsbedarf?

T. M.: Ich würde mir wünschen, dass die Kirchen der gesellschaftlichen Debatte endlich mutig vorangingen statt hinterherzuhinken. Gemäß der Schrift müssten sie die ersten sein, die sich gegen Ausgrenzung und Diskriminierung wenden. Stattdessen sind sie oft ziemlich abgeschlagen hinten. Lasst euch vom Evangelium bekehren und streitet für die Vielfalt von Gottes Schöpfung!

K. P.: Warum braucht es QuiKT?

T. M.: Solange es in den Kirchen noch nicht so ist – und leider gibt es wenig Anzeichen für Veränderung in diesem Sinne – braucht es Einzelne und Gruppen wie QuiKT, die beharrlich und fromm an die einfachsten Wahrheiten des Evangeliums erinnern.

K. P.: Arbeitet ihr mit anderen theologischen/christlichen LGBT*-Zusammenschlüssen zusammen?

T. M.: Die christliche lgbttiq-Szene ist so klein, dass man automatisch miteinander zusammen arbeitet. Die HuK hat uns in Hamburg Quartier in ihrem „Regenbogenzentrum“ gewährt, und auch jetzt in Stuttgart gab es wieder enge Kontakte.

K. P.: Queer in Kirche und Theologie – gibt es da deiner Meinung nach große Unterschiede?

Wir wollen versuchen, theologische Theoriearbeit und praktische Kirchenarbeit miteinander zu verbinden. Natürlich ist diese Unterscheidung einigermaßen holzschnittartig. Aber sie bringt doch zum Ausdruck, dass unser Anliegen sowohl ein wissenschaftlich-theologisches wie auch ein praktisch-seelsorgliches ist.

K. P.: Was bedeutet Queer speziell für dich/euch?

T. M.: Ich glaube, keine*r von uns ist zu Hause in den Queer Theories/Studies und hat ein ganz spezielles ausgefeiltes Verständnis des Begriffes queer. Für mich persönlich ist es ein Sammelbegriff, unter dem sich die verschiedensten Lebensweisen (hoffentlich) diskriminierungsfrei wohlfühlen können.

K. P. : Ich danke dir, lieber Thorsten, für das spannende Interview und wünsche QuiKT ein gutes Fortkommen mit dem Projekt der Kasualie für Trans*menschen!

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