Die Frage der Woche, Folge 80: Täter oder Opfer?

Die Frage der Woche, Folge 80: Täter oder Opfer?
Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Menschen darüber aufregen, dass eine Frau vergewaltigt wurde, als darüber, wo der Vergewaltiger herkommt.

Liebe evangelisch.de-Nutzerinnen und -Nutzer,

In Freiburg wurde eine Studentin vergewaltigt und getötet (Oktober). In Bochum wurden zwei Studentinnen brutal vergewaltigt (August, November). In Hameln wurde eine Frau an einem Seil hinter einem Auto hergeschleift und wäre daran fast gestorben (November). In Kronshagen starb eine Frau, nachdem sie auf offener Straße angezündet wurde (Dezember).

Was haben diese Taten, die mehrere Monate auseinanderliegen, gemeinsam?

Die Opfer sind Frauen.

Und wenn Sie jetzt dachten, ich würde etwas anderes schreiben, dann haben Sie das Problem schon vor Augen. Jede dieser schrecklichen Taten hat ihren eigenen Hintergrund: Sexualmord, Beziehungstaten. Aber die Opfer sind Frauen, die Täter sind Männer. Das ist Alltag: Besonders bei Sexualstraftaten und Gewalt in Beziehungen sind Frauen meistens die Opfer. Auch weltweit sind sie bei Gewalttaten deutlich häufiger Opfer als Täter, wie die weltweite UN-Mord-Studie belegt. (Global sterben übrigens in absoluten Zahlen viel mehr Männer an Gewalt – was maßgeblich daran liegt, dass Frauen viel seltener in Kriegen und bei Straßengewalt mitkämpfen).

Wer sich stattdessen aber auf die regionale Herkunft der Täter konzentriert, übersieht das Grundproblem. Margarete Stockowski hat dazu Beobachtungen aufgeschrieben, die ich nicht doppeln will, aber diese Zahl des BKA für Deutschland sei nochmal genannt: 82 Prozent der Opfer von Beziehungstaten sind Frauen.

Das ist aber so normal, dass es in der Berichterstattung durch Medien auch keine Beachtung findet. Über einzelne Morde wird dann berichtet, wenn es entweder nichts anderes in der Welt gibt (denn irgendein Mord ist immer), oder wenn die Tat durch irgendeine andere spektakuläre Wendung besonders heraussticht, wie in Hameln (am Seil geschleift) und Kronshagen (angezündet).

Ich habe mir die Schlagzeilen für die Beziehungstat in Hameln in Google News mal angeschaut. Es gibt da zwei Varianten: "Mann schleift Frau mit Seil am Hals hinter Auto her" (Beispiel: Stern), oder "28-Jährige mit Auto durch Hameln geschleift" (Beispiel: NDR). Und dann ist da natürlich noch die Bild-"Zeitung", die wie immer einen draufsetzen musste und den "Blut-Schleifer von Hameln" erfand. Meistens liegt der Fokus auf dem Täter. 

Ebenso war es bei den Fällen in Bochum: Dass die beiden Studentinnen, die in Bochum vergewaltigt wurden, Chinesinnen waren, war den Schlagzeilen nicht zu entnehmen, dazu musste man die Meldungen schon lesen. Dass der mutmaßliche Täter ein 31-jähriger Iraker ist, stand sehr deutlich in den Schlagzeilen, als er verhaftet wurde.

Die Herkunft der mutmaßlichen Täter war der Grund, warum die Taten in Freiburg und Bochum zu bundesweiten Schlagzeilen wurden, obwohl die Tatsache, dass sie keine Biodeutschen sind, die Tat nicht zu etwas Besonderem macht. Und übrigens rufen die Internet-Kommentatoren auch nie danach, dass die Herkunft der Opfer veröffentlicht werden müsse - bei dieser Forderung geht es auch immer nur um die Täter.

Diese Täter haben aber vor allem eines gemeinsam: Sie sind Männer. Ihre Schreckenstaten der letzten Monate, die den Weg in die bundesweiten Medien gefunden haben, zeigen: Wir müssen als Gesellschaft in Deutschland deutlich für Frauenrechte einstehen und dafür, dass Gewalt keine Lösung für Beziehungsprobleme ist. An dieser Stelle ist der Hinweis auf die unterschiedliche Herkunft der Täter dann wieder relevant. Denn wer ein Frauenbild gelernt hat, dass Frauen herabwürdigt, muss sein Frauenbild in besonderer Weise neu lernen, wenn er in Deutschland lebt. Dort, wo Männer die deutsche Kultur kennenlernen, muss dieser Aspekt eine wesentliche Rolle spielen. In Aufnahmeeinrichtungen ebenso wie im zugewanderten oder im biodeutschen Elternhaus.

Das war schon die Lektion aus den Übergriffen in der Silvesternacht in Köln: Wer hier lebt, muss sich an unsere westlich-europäischen Gesellschaftsstandards halten. Egal, wo er herkommt, egal ob aus Afrika oder Aachen. Von Köln über #Aufschrei bis zu §177 StGB und „Nein heißt nein“: Es ist noch viel zu tun. Dass die Aufmerksamkeit für diese Fälle trotzdem noch meistens über die Täter entsteht, macht das umso deutlicher. Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Menschen darüber aufregen, dass eine Frau vergewaltigt wurde, als darüber, wo der Vergewaltiger herkommt.

Ich wünsche euch und Ihnen ein gesegnetes Wochenende!


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Ich werfe immer am Samstag an dieser Stelle einen Blick auf die vergangene Woche und beantworte außerdem Ihre Fragen zu evangelisch.de, so gut ich kann. Ich wünsche euch und Ihnen einen gesegneten Start ins Wochenende!

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