Ev. Jugend: "Queer sein ist keine Sünde"

Lebensfrohes, bunt geschminktes Mädchen auf SD
Norbu Gyachung/Unsplash
Sollen sich evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer in Bayern aus Gewissensgründen weiterhin weigern dürfen, queere Paare zu segnen? Diese und andere Fragen will die Bayerische Landeskirche bei ihrer Synode thematisieren.
Ein Thema bei der Synode
Ev. Jugend: "Queer sein ist keine Sünde"
Ab 30. März trifft sich die bayerische Landessynode zu ihrer Frühjahrstagung. Diskutiert wird auch der einstige und künftige Umgang der Landeskirche mit queeren Menschen. LMU-Professor Christian Albrecht hat sich des Themas federführend angenommen.

Sollen sich evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer in Bayern aus Gewissensgründen weiterhin weigern dürfen, queere Paare zu segnen? Braucht es für die Landeskirche wegen ihres teils diskriminierenden Umgangs mit queeren Menschen in der Vergangenheit ein Schuldbekenntnis? Und wie sieht es mit einer evangelischen Trauung für queere Menschen aus?

Unter anderem mit diesen Fragen wird sich die Landessynode als Kirchenparlament der 2,1 Millionen bayerischen Protestanten bei ihrer Frühjahrstagung ab 30. März in Augsburg befassen. Im Mittelpunkt steht dabei die Diskussion von Empfehlungen einer synodalen Arbeitsgruppe, die Ende 2023 eingerichtet wurde, um den Umgang mit queeren Menschen in der Landeskirche umfassend zu beleuchten.

Ausgangspunkt der Debatte war die Ausstellung "Jesus liebt" des bekannten Künstlers und LGBTQ-Aktivisten Rosa von Praunheim im Sommer 2023 in der Nürnberger Egidienkirche. Die gezeigten Bilder setzten sich mit Religion, Sexualität, Liebe und Tod auseinander und zeigten provokante, teils explizite homoerotische und sexuelle Handlungen. Nach massiven Anfeindungen gegen die Ausstellung, die Initiatoren und queere Menschen musste die Ausstellung nach wenigen Tagen abgebrochen werden. Das Entsetzen war groß, der Fall schlug bundesweit Wellen.

In Folge erreichten die Synode gleich vier Eingaben aus Nürnberg und Umgebung, die zunächst zurückgestellt und an die eigens dafür eingerichtete Arbeitsgruppe weitergeleitet wurden. Die umfassendsten Forderungen kommen von der Evangelischen Jugend in Bayern (ejb) mit Sitz in Nürnberg: Sie fordert unter anderem ein Schuldbekenntnis der kirchenleitenden Organe wegen ihres Umgangs mit queeren Menschen, die Trauung für alle und eine Abschaffung des Gewissensschutzes für Pfarrerinnen und Pfarrer bei Eheschließungen von queeren Paaren.

Gott liebt queere Menschen!

Malte Scholz schreibt als ejb-Vorsitzender in der Eingabe zur Begründung: "Es ist an der Zeit, ein klares Bekenntnis zu formulieren: Gott liebt queere Menschen! Queer sein geht nicht gegen Gottes Willen und ist keine Sünde." Der Mensch sei von Gott geschaffen und geliebt. "Diese Liebe ist bedingungslos und gilt auch für die freie Identitätsentwicklung." Die anderen drei Eingaben gehen in eine ähnliche Richtung. Eine später eingereichte fünfte Eingabe zu dem Thema des konservativen Arbeitskreises ABC fordert hingegen eine Beibehaltung des Gewissensschutzes, gleichgeschlechtliche Trauungen lehnt der ABC seit jeher ab.

Als Begründung führt der ABC-Vorsitzende, der Lohrer Dekan Till Roth, in der Eingabe unter anderem an, dass es zu einer "weiteren Provinzialisierung und ökumenischen Isolierung unserer Landeskirche" führen würde, würden etwa die ejb-Forderungen angenommen. Dabei schlägt er eine Brücke nach Papua-Neuguinea und Tansania - also Länder, wo homosexuelle Handlungen als Straftat gelten. Die dortigen Partnerkirchen lehnten gleichgeschlechtliche Segnungen und Trauungen ab und wären über eine Aufhebung des Gewissensschutzes in der bayerischen Landeskirche "höchst befremdet".

Ehe für alle

Auch Werteverschiebungen in der Gesellschaft und Veränderungen in der staatlichen Gesetzgebung, wie die Einführung der "Ehe für alle", hätten für die Kirche keine bindende Kraft, führt Roth weiter aus. Nun wird in Augsburg diskutiert. Vorgestellt werden die Empfehlungen der Arbeitsgruppe von deren Vorsitzenden, dem Synodalen Christian Albrecht, der auch Professor für Praktische Theologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München ist.  

Christian Albrecht

Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagt er, dass es die große Herausforderung für seine Arbeitsgruppe sei, mit ihren Empfehlungen den Meinungen von Konservativen wie auch Progressiven gerecht zu werden. "Unser Anspruch ist, Kompromisse zu finden, mit denen alle leben können", sagt Albrecht. Mit Blick auf die Beschluss-Vorschläge der Arbeitsgruppe sagt er, es stehe außer Frage, dass queere Menschen in der Kirche großes Leid und Diskriminierung erfahren haben.

Das werde auch anerkannt. Ein eigenes Schuldbekenntnis jedoch empfehle die Arbeitsgruppe nicht, es müsse vielmehr alles dafür getan werden, dass queere Menschen jetzt und in Zukunft nicht mehr diskriminiert werden. Auch der Gewissensschutz sollte laut Empfehlung der Arbeitsgruppe beibehalten werden, sagt Albrecht. Denn er sei Grundlage eigentlich jeder Entscheidung von Pfarrpersonen, so stehe es sinngemäß auch im Pfarrdienstgesetz.

Für die Praxis sieht Albrecht ohnehin wenig Probleme. Für viele Pfarrerinnen und Pfarrer sei es selbstverständlich, auch queere Paare zu segnen. Und queere Paare fragten für eine Segnung erfahrungsgemäß nur Pfarrer an, die dafür auch offen seien. Diffiziler wird die Argumentationskette beim Thema "Trauung für alle": Letztlich gebe es zwischen "Trauung"und "Gottesdienst anlässlich einer Eheschließung" keinen nennenswerten theologischen oder rechtlichen Unterschied, sagt Albrecht: In beiden stehe die Bitte um den Segen im Zentrum.

Es gibt aber durchaus einen "gefühlten" Unterschied: Konservativen Evangelischen sei es wichtig, dass die "Trauung" nur heterosexuellen Paaren vorbehalten sei, während diese Kasualie für homosexuelle Paare "Gottesdienst anlässlich einer Eheschließung" heißt. Die elegante Idee der Arbeitsgruppe daher: künftig nur noch von "Gottesdienst anlässlich einer Eheschließung" zu sprechen - unabhängig von Geschlecht und sexueller Orientierung. Christian Albrecht erwartet in jedem Fall eine lebendige Debatte unter den Synodalen zu den Vorschlägen seiner Arbeitsgruppe - wenn auch keine ausufernde. Eineinhalb Stunden sind für seinen Bericht und die anschließenden Rückmeldungen der Synodalen eingeplant.