Liebe evangelisch.de-Nutzerinnen und -Nutzer,
eigentlich wollte ich mich heute mit Facebook und der Zuckerberg-Anhörung vor dem US-Kongress befassen. Dann kam aber die Diskussion um die Echo-Verleihung, Kollegah und Farid Bang, die aktuell in den Vordergrund drängte. (Zu Facebook empfehle ich stattdessen Dennis Horns ausgeruhte Analyse zu dem Daten"skandal", die man gelesen haben sollte.)
Also zum Echo. Den haben (unter anderem) die Rapper Kollegah und Farid Bang gewonnen. Deren Album "Jung, brutal, gutaussehend 3" hat sich mehr als 200.000 Mal verkauft, das ist Platinstatus, und war bis auf Nummer 1 in den deutschen Albumcharts. Das bedeutete eine Echo-Nominierung, denn da geht's einfach um Verkaufszahlen.
Auf dem Album gibt es aber eine Textzeile, die schon vorab für Aufregung sorgte: "Mein Körper ist definierter als von Auschwitzinsassen" rappt da Farid Bang. Dafür hat er sich schon entschuldigt, es sei eben nur "harter Battle-Rap", aber keine politische Äußerung. Trotzdem ist das eine Grenzverletzung.
Der Echo-Beirat, an den die Veranstalter die Diskussion überwiesen, hat die Nominierung der beiden dennoch zugelassen. Warum? Weil es sich "um einen absoluten Grenzfall zwischen Meinungs- und Kunstfreiheit und anderen elementaren Grundrechten" handelt, schreibt der Beirat, und deswegen "ein formaler Ausschluss nicht der richtige Weg ist".
Antisemitismus ist nicht preiswürdig
Dann haben die beiden Rapper den Echo auch noch gewonnen, was auch immer sich die intransparent besetzte Jury (nicht identisch mit dem Beirat) sich dabei gedacht haben mag. Ist Antisemitismus also preiswürdig? Nein. Trotzdem gewinnen Kollegah und Farid Bang den Echo. Warum? Weil der Echo ein Preis ist, der sehr erfolgreiche Musik auszeichnet - und das Problem liegt darin, dass der Rap, den die beiden machen, eben auch durch seine aggressiven Texte erfolgreich ist. Die große Mehrheit seiner Fans kauft seine Alben nicht, weil Kollegah antisemitisch wäre - aber es stört sie auch nicht genug, um die Alben nicht zu kaufen.
Das ist das eigentliche Problem: dass Judenfeindlichkeit (wieder?) viel zu wenig auffällt, wenn sie mal so eben dahingesagt wird. Hätte man Kollegah und Farid Bang deshalb vom Echo ausschließen sollen? Ich glaube nicht. Und zwar deswegen, weil das es ihnen noch einfacher gemacht hätte, in die ach so angenehme Opferrolle zu gehen. Campino, Frontmann der Toten Hosen - ebenfalls Echo-Preisträger 2018 - hat es bei der Preisverleihung so formuliert: "Wer nicht diskutiert, überlässt das Feld den anderen, und denen, die sich unter Umständen noch als Opfer darstellen, obwohl ihnen keine Opferrolle zusteht." Für den Satz bekam der Sänger Applaus aus der Halle. Campino hat Recht.
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Die Ansage von Campino beim Echo 2018
Aber seine Gegenüber - Kollegah insbesondere, der nun wirklich nicht dumm ist - lassen sich auf die Diskussion auf der gleichen Ebene gar nicht ein. Warum auch? Hätte man ihn nicht eingeladen, könnte er in dieser Opferrolle als Pariah dastehen, dessen Erfolg außerhalb des Mainstreams stattfindet, und gegen "political correctness" schwadronieren. Jetzt kann er stattdessen mit einem Preis wedeln, der auf einmal mit kultureller Bedeutung aufgeladen ist, obwohl er keine hat. Der Echo ist eine Kommerz-Auszeichnung und nicht mit einer inhaltlichen oder künstlerischen Bewertung verbunden. Wenn die Organisatoren des "Echo" das wollten, bräuchten sie eine Haltung dazu, dass Rap als populärstes Musik-Genre der heutigen Zeit vielfach aus aggressiven, antisemitischen, frauenfeindlichen, homophoben, gewaltverherrlichenden Texten besteht - und trotzdem von Millionen Menschen gekauft, gehört und gemocht wird.
So eine Haltung hat der Echo aber nicht. So fällt es Campino zu, eine inhaltliche Haltung gegen Antisemitismus zu beziehen und die Frage nach der Grenze der Provokation zu stellen. Kollegah kann dessen leichte Nervosität anschließend auf der Bühne karikieren und den gleichen Preis wie sein Kritiker in die Höhe recken.
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Die Antwort von Kollegah beim Echo 2018
Für Kollegah ist das alles Teil der Show; für Campino geht's um echte Moral und Haltung. Das ist nicht die gleiche Ebene. Der Aggro-Rap, den Kollegah und Konsorten machen, braucht aber diese Gegenspieler, um sich bei den Fans zu positionieren. Das ist Teil der Kunstform. In dem umstrittenen Track "0815" (ausgerechnet), wo sich die Auschwitz-Zeile findet, heißt es auch: "Dieses Album kommt, weil ihr wieder Ansagen braucht - fuck mich ab und ich stopfe dir 'ne Pumpgun ins Maul." So funktioniert der kommerzialisierte Deutschrap: Provozieren, imponieren, abkassieren. Immer auf der Grenze zwischen Ernsthaftigkeit und Kunstfigur, war ja alles nicht so gemeint, aber irgendwie doch.
Dieses Männerschauspiel hat aber Grenzen. Nämlich dort, wo es Ideen verstärkt, die in echter Gewalt enden. "Und beim nächsten Beef geht der Boss wegen Mord rein in' Knast", rappt Kollegah in "All Eyez On Us", dem Titel, den er und Farid Bang auch beim Echo performten. Ob er es sich aber auch zu eigen macht, falls ein Kollegah-Fan einem Juden auf der Straße mit den Worten "Auschwitzopfer" die Kippa vom Kopf schlägt, daran habe ich Zweifel. Dann wird's auf einmal wieder ganz "real".
Aber dieser Verantwortung können sich die Rapper nicht entziehen. Der Shitstorm, den Kollegah-Fans jetzt gegen Campino loslassen, zeigt: Die Rapper können sich auch nicht darauf zurückziehen, ihre Fans würden das alles schon richtig einordnen.
Die Lösung? Haltung haben und Haltung zeigen. Hat der Echo leider nicht. Kollegah und Farid Bang zwar einzuladen, ihnen aber keine Trophäe und damit auch keine Bühne zu geben, wäre ein guter Anfang gewesen.
Ich wünsche euch und Ihnen einen guten Start in die Woche!
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