Es ist Liebe auf den ersten Blick. Ich entdecke sie und weiß: Das ist sie. Die Schönste. Die, die ich lange gesucht habe. Jetzt hat sie mich gefunden. Auf einem Trödelmarkt in Brandenburg. An einem Nachmittag im Spätsommer. Für 20 Euro gehört sie mir. Ihr Name ist „Erika“. Baujahr 1972. Doch ihr Alter sieht man ihr kaum an. Für mich ist sie perfekt. „Erika“ ist eine Schreibmaschine. Ihr Rücken verrät, dass sie in der DDR produziert wurde. Das lässt vermuten, dass sie nicht nur Geschichten geschrieben, sondern auch erlebt hat. Jetzt darf ich sie weiterschreiben.
Manche mögen mich für verrückt halten. In einer Zeit, in der ich mit meinem Smartphone ganze Artikel schreiben kann und ein kurzes „Okay, Google…“ ausreicht, um eine Suchmaschine zu aktivieren, die mir die Welt erklärt, wirkt es etwas rückschrittlich, eine Schreibmaschine zu kaufen und diese nicht nur als schickes Hipster-Accessoire auf Instagram zu inszenieren, sondern tatsächlich auf ihr schreiben zu wollen. Nicht ausschließlich, das gebe ich zu, ich schätze die Möglichkeiten all meiner technischen Schreibgeräte sehr – aber Erika reizt mich dennoch.
Denn sie lehrt mich vieles. Vor allem Geduld. Fingerspitzengefühl. Konzentration. Und immer wieder Gnade: Aushalten üben, dass ich mich vertippt habe und etwas anders geworden, als zunächst gedacht. Doch, wenn ich mich auf sie einlasse, dann entsteht Schönes.
Als ich den ersten Anschlag wage, zucke ich zusammen. So laut hatte ich sie nicht erwartet. Als Kind der 90er bedeuten Schreibmaschinen für mich schon Nostalgie, sind ein Relikt aus längst vergangener Zeit. Meine Finger wissen nicht, wie fest sie eine Taste anschlagen müssen, damit Tinte aufs Papier gedruckt wird. Und so dauert es eine ganze Weile, bis eine Zeile geschrieben ist.
Und dann hakt Erika plötzlich. Irgendwas klemmt. Die Buchstaben verharren auf dem Papier. Es geht nicht weiter. Und mein erster Impuls ist: Ausschalten und wieder einschalten. Ganz einfach. Damit kriegt man schließlich fast alles wieder hin. Denke ich. – Und muss über mich selbst schmunzeln, als mir klar wird, wie absurd dieser Gedanke ist. Denn „Erika“, diese feine, kleine Schreibmaschine ist nie an oder aus. Sie ist einfach.
Diesen Satz tippe ich, nachdem ich mit behutsamen Fingern die Typenhebel (musste ich googlen!) wieder entwirrt habe. „Sie ist einfach.“ Einfach. Da. In diesem Moment. Und das erinnert mich an etwas. „Ich bin da“, das sagt auch Gott. Ohne Möglichkeit des An- oder Ausschaltens. Gestern und heute und morgen auch noch: Ich-bin-da. Das ist mein Name für immer, und so wird man mich nennen in allen Generationen (Ex 3,14f). Ich bin mitten unter euch. (nach Mt 18,20).Als Brot des Lebens. (Joh 6,35) Licht der Welt. (Joh 8,12) Auferstehung und Leben. (Joh 11,25)
Gott sagt nicht: „Ich bin die Schreibmaschine.“ Aber manchmal, da schreibt er sich in mein Leben. Da entdecke ich ihn zwischen den Zeilen. Als wohne er in den Worten. Und wenn ich mich auf ihn einlasse, dann entsteht Schönes.