Meine Gemeinde und ich, wir treffen uns einmal im Jahr. „Mehr nicht?“, könnte man fragen. „Reicht das denn?“ Ja. Reicht. Mir zumindest. In dieser Lebensphase, in der sich so viel wandelt, in der ich so viel wandere, reicht es mir, eine Gemeinde zu haben, die nur temporär besteht und dabei doch ganz beständig ist. Mehr noch, als dass sie mir reicht: Sie macht mich reich. Die Zeit, die wir miteinander verbringen, einmal im Jahr, eine Woche lang, auf einer Insel im Wattenmeer, ist so dicht an heiligen Momenten, dass sie mich ein ganzes weiteres Jahr über trägt.
Es ist noch dunkel, als wir uns treffen. An der großen Kirche, an der großen Straße, in der großen Stadt. Es herrscht eine freudige Gespanntheit. Kofferräder rattern über den Asphalt. Wer noch nicht ganz wach war, ist es jetzt. Alle sind gekommen. In diesem Jahr sind wir 200 Menschen. Die meisten davon Kinder. Meine Gemeinde verändert sich jedes Jahr ein wenig. Es gibt einen festen Kern, der immer wieder dabei ist, vertraut und verlässlich. Dazu kommen neue. Neugierige, Angesteckte, Aufgeweckte. Auch um 7 Uhr morgens schon. Die besondere Qualität dieser gemeinsamen Zeit hat sich rumgesprochen. Doch bevor es losgeht, die Busse bestiegen und die Lunchpakete geplündert werden, gibt es einen Segen für die Reise. Worte für den Weg. Kreuzzeichen und Himmelszeichen.
Und dann machen wir gemeinsam Strecke, sind gemeinsam unterwegs. Sind in Frieden zufrieden. Wir rasten und ruhen und übersetzen: Vom Festland auf die Insel, vom Deutschen ins Niederländische. Wir lernen uns kennen. Nennen uns beim Namen. Werden einander vertraut. Wir teilen Leben. Und immer wieder Brot. Oft mit Schokostreuseln. Wir trösten einander, kleben Pflaster und reichen Kühlpacks. Warten, bis alle da sind. Wir vereinbaren ein paar Regeln. Eher Gebote, als Verbote. Wir jagen dem Guten nach, sind fröhlich und spielen – wie die Kinder, mit den Kindern. Jeder Morgen beginnt mit der Erinnerung, in wessen Namen wir hier sind. Wir danken für das, was wir haben. „Segne Vater, diese Gaben, Amen.“ Wir suchen das Weite. Vom Leuchtturm aus hat man den besten Blick. Das Meer kennt kein Ende. Am Anfang ist manchmal ein Wort. In der Nacht legen wir die Köpfe in den Nacken: Der Himmel ist ein Zelt. Wir bergen uns darin. Am Lagerfeuer wird gesungen und erzählt. Lieblingslieder und -geschichten, die verbinden: Das was war, mit dem, was ist. Im Wald schlagen wir das Böse in die Flucht. Enttarnen die Gespenster. Fürchten uns nicht. Wir schreiben Postkarten, denken an die, die nicht bei uns sind, schicken Grüße und Küsse übers Meer. Und kehren schließlich zurück. In die große Kirche, in der großen Straße, in der großen Stadt. Und erzählen, was diese Zeit uns gegeben hat.
Meine Gemeinde ist eine Kinderferienfreizeit. Einmal im Jahr, macht sie mich so reich, dass es reicht. Bis zum nächsten Jahr.