Gewinnerlos

Gewinnerlos
Es gibt Tage, da werden Worte plötzlich zu Wegweisern.

Ich glaube nicht an Zufälle. Denn ich glaube an Gott. Und ich vertraue darauf, dass es Dinge gibt, die nicht allein in Menschenhand liegen. Sondern in größeren Händen. Größer, als unsere es je sein könnten. Doch es gibt Zeiten, da vergesse ich das. Da lebe ich so, als wäre ich ganz allein die Schmiedin meines Glückes. Da lebe ich ohne Bedacht. Ohne Vertrauen. Da sind die Tage ein einziges Rennen. Gegen die Zeit, gegen das Herz und so immer auch gegen mich selbst. Die To-Do-Liste wird lang und länger. Einer geht noch, denke ich und blicke am Abend resigniert auf das Blatt Papier, das so viele Punkte und so wenig Häckchen ziert. Mit dem bitteren Gefühl, es wieder nicht geschafft zu haben. Verliererin zu sein.

Es gibt solche Zeiten. Ganz sicher nicht nur in meinem Leben. Da nehmen wir uns zu viel vor. Da schmieden wir zu viele Pläne. Da vergessen wir: Zeit ist begrenzt und unsere Kraft sowieso. Neulich hatte ich einen Tag, da plingte es ständig in meinem Mailfach. Ständig klingelte das Telefon. Ständig wollte jemand etwas von mir. Und ich wollte allen gerecht werden. Vor allem mir selbst. Mir und meinen Plänen und der Liste, unendlich lang. Und ich bin sicher, dass es kein Zufall war, als ich ein Buch aus dem Regal zog, um schnell etwas nachzuschlagen und mein Blick auf die Bibel daneben fiel. Ich schob das Buch, das ich eigentlich lesen wollte, zurück und nahm stattdessen dieses Buch aller Bücher in die Hand. Ich schlug es auf. An einer beliebigen Stelle. Ich dachte gar nicht darüber nach. Auf meiner To-Do-Liste hatte nicht „Stille Zeit“ oder „Bibellesen“ gestanden. Es geschah einfach, dass meine Augen diese eine Zeile fanden: „Du hast dich müde gemacht mit der Menge deiner Pläne.“  So heißt es in Jesaja 47,13. Mir schossen die Tränen in die Augen. Mein Herz pochte schnell. Ich setzte mich, das aufgeschlagene Buch in den Händen, auf einen Stuhl und atmete einen Moment lang tief durch, bevor ich noch einmal las: „Du hast dich müde gemacht mit der Menge deiner Pläne.“  Worte, aufgeschrieben, so lange vor meiner eigenen Zeit. Adressiert an jemand ganz anderen als mich. Und doch: so passend. Für mich. An diesem Tag, der mir die Luft nahm. An diesem Tag, an dem ich müde war. So müde. Von der Menge meiner eigenen Pläne.

Ich glaube nicht an Zufälle. Denn ich glaube an Gott. Und ich vertraue darauf, dass es Dinge gibt, die nicht allein in Menschenhand liegen. Sondern in anderen Händen. Diese Hände fingen mich an diesem Tag auf. In Worten. In einer Losung. Wie zufällig gezogen. Augenöffnend. Versöhnend. Verändernd.

 An diesem Tag zerriss ich meine To-do-Liste, beendete das Rennen gegen die Zeit und gegen mich selbst. Und obwohl ich nicht alles schaffte, was ich für diesen Tag geplant hatte, fühlte ich mich nicht wie eine Verliererin. An diesem Tag hatte ich ein Gewinnerlos gezogen.

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