Ich kenne eine ganze Menge Menschen, die besuchen keinen Gottesdienst, aber gehen trotzdem gerne in eine Kirche. In Urlaubs- und Wallfahrtsorten oder auch in der eigenen Nachbarschaft. Einmal kurz dem Alltag entfliehen, der Hektik, dem Trubel. Einmal kurz durch großartige Portale in einen kerzenlichtdurchströmten Raum treten. Einmal kurz den eigenen nachhallenden Schritten lauschen, leiser Orgelmusik oder einfach der Stille, die alles überdeckt.
Kirchen besitzen eine besondere Anziehungskraft. Sie sind wie Schutzräume im eigenen Leben. Sie sorgen für die Wiederentdeckung der Langsamkeit, der Stille, des Moments. Herbergen wie Herzensbergen. Sie schenken Geborgenheit für alle, die danach suchen.
Mir gefällt diese besondere Offenheit, die die meisten Kirchen bieten. Wo sonst gibt es das? Offene Türen, die zu sagen scheinen: Du bist willkommen. Wo immer du gerade herkommst, wer immer du gerade bist. Komm herein, lass dich nieder, leg ab, all die Schwere deines Herzens. Hier darfst du sein.
Ich kenne diese Menschen, die gern mal kurz in eine Kirche gehen, vielleicht eine Kerze anzünden und dann wieder gehen. Ich kenne sie und gehöre oft selbst zu ihnen. Und gleichzeitig weiß ich um die Gläubigen, treue Gottesdienstbesucher und kirchlich Engagierte, denen das zu weit geht. Dieses Kommen und Gehen, diese Unverbindlichkeit, dieses Suchen nach Räumen. Vor allem in der Advents-und Weihnachtszeit werden manche Besucher daher etwas misstrauisch beäugt: Diese „Feiertagskirchgänger“, die die Bänke besetzen und wahrscheinlich nicht mal das Vater-Unser mitsprechen können.
Ein bisschen kann ich diesen Unmut darüber verstehen. Für manche mag sich dieses Kommen und Gehen sehr nach Beliebigkeit anfühlen. Vielleicht sogar als Arroganz gegenüber denen, die ihre Zeit, ihre Ideen und ihr Herz einbringen in Gemeindearbeit. Und das nicht bloß zu Weihnachten, sondern eigentlich das ganze Jahr über.
Kirche wird zur Option. Dann, wenn es eben passt. Und dabei stehen nicht unbedingt Liturgie und Lieder im Vordergrund, nicht Gebete und Geschichten, sondern oft die Sehnsucht nach einem Dach für die Seele. Nicht mehr und nicht weniger. Aber ist das verwerflich?
Ich kann jedenfalls nicht anders, als dabei an die Weihnachtsgeschichte zu denken. An die Suche nach einer Herberge. An die Suche nach einem Ort, wo das Licht wohnt. An die Suche nach einem Platz für das eigene Sein.
Und so wird Kirche plötzlich zum Stall. Mit offenen Türen für alle, die auf der Suche sind. Kommet zuhauf.