Digital Detox in der Kirche

mal ohne Smartphone
Digital Detox in der Kirche
Der „Offline Club“ in Amsterdam lud zu einem besonderen Event

Das Smartphone ist immer und überall. Können wir überhaupt noch länger als fünf Sekunden ohne sein? Immer sind wir erreichbar. Immer können wir alles googeln. Ständig sind wir in Kontakt, lesen die neuesten Nachrichten, den neusten Tratsch, müssen aber auch sofort reagieren, wenn andere etwas von uns wollen. Was wäre Ihr Smartphone ohne Internet-Verbindung? Nach einem dreitägigen Ausfall meines Mobilfunk-Providers musste ich feststellen: Praktisch nichts. Kaum eine App auf meinem Handy, die ohne Internet noch einen großen Wert hätte.

Das macht Stress. Sorgt für schlaflose Nächte. „FOMO“ ist ein fester Begriff geworden: Fear of missing out, die Angst, irgendwas zu verpassen, wenn ich mal nicht aufs Smartphone schaue.

Gegenbewegungen gab und gibt es schon seit vielen Jahren. Apps, die die Nutzungszeit begrenzen oder mal einfach für eine Weile das Handy mehr oder weniger abschalten. Restaurants, die einen Rabatt gewähren, wenn alle Gäste ihr Handy für die Zeit des Besuchs wegsperren. Und vieles mehr.

In Amsterdam hat sich vor einiger Zeit der „Offline Club“ gegründet. Er organisiert Begegnungen, beispielsweise in einem Café. Einzige Bedingung: Das Handy muss am Eingang abgegeben werden. Und dann? Lesen. Ein Tässchen Kaffee trinken. Eine Geschichte schreiben. Arbeiten, sofern es ohne Smartphone geht. Mit den anderen ins Gespräch kommen. Malen. Was auch immer.

Schöne Erfahrungen in so einem Café. Doch nun lud der Offline Club zu einem größeren Event ein: „Westerkerk unplugged“ In der altehrwürdigen Westerkerk (West-Kirche) in Amsterdam, einer großen, 400 Jahre alten protestantischen Kirche in der Innenstadt, nahe am bekannten Anne-Frank-Haus.

So eine Kirche bietet natürlich ganz andere Möglichkeiten als ein Café. In verschiedenen Ecken gab es verschiedene Angebote. Die Menschen lasen und besprachen gemeinsam Bücher. Sie spielten Musik von Klavier bis Oper. Sie malten gemeinsam an einem großen Kunstwerk auf dem Boden. Der Renaissance-Kirchenraum mit nachgotischen Elementen verlieh dem Ganzen eine ausgesprochen besondere Atmosphäre.

Digital Detox im Kirchenraum. Aufatmen in der Kirche. Abschalten von der ständigen Erreichbarkeit. Den Menschen gut tun. So kann und sollte Kirche sein, finde ich – ein Ort, der der Stadt gut tut.

Im Internet finden sich natürlich – wie kann es anders sein – auch kritische Kommentare. „Blasphemie!“ „Die schänden das Haus Gottes!“ Und so weiter, ich brauche das wohl nicht weiter auszuführen. Wirklich? Wo Menschen zusammenkommen, miteinander reden, miteinander Musik machen, miteinander über alles mögliche reden, gemeinsam ein Bild malen und einfach wertvolle Zeit miteinander verbringen – ist da nicht Gott schon mitten drin anwesend, selbst wenn keine Predigt gehalten wird und keine Orgel erklingt? Ich finde: Wir sollten solche – und andere – Angebote viel öfter machen, die einfach nur den Menschen in unserer Stadt oder unserem Dorf gut tun. Suchet der Stadt Bestes! (Jeremia 29,7)

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