Herr und Frau Gott?

Reden von Gott
Herr und Frau Gott?
Wie können wir angemessen von Gott sprechen?

Schließen Sie die Augen und ... ach nein, erst mal lesen, dann schließen. Also: Wenn Sie „Gott“ hören, was für ein Bild entsteht in Ihrem Kopf? Jetzt können Sie gerne die Augen kurz schließen, aber irgendwann sollten Sie sie zum Weiterlesen auch wieder aufmachen.

Also, Hand aufs Herz: War’s der alte weißhaarige Mann, der gütig, aber eventuell ein wenig tatterig auf einer Wolke umherschwebt? Oder war es vielleicht eine Burg? Oder eine Mutter? Oder eine Wasserquelle? Oder ...

Die Bibel findet viele Bilder für „jenes höhere Wesen, das wir verehren“. (Wenn Sie dieses Zitat nicht kennen, sollten Sie mal Heinrich Bölls wunderbare Kurzgeschichten lesen, in diesem Fall das gesammelte Schweigen des Dr. Murke). Doch unsere Sprache, die nun mal auf Geschlechtlichkeit aufbaut, macht uns da einen Strich durch die Rechnung. Weil „Gott“ in unserer Sprache – und als christlicher Gott vermutlich auch in fast allen anderen – nun mal männlich ist, stellen wir uns Gott eher wie einen Mann vor – und vergessen dabei etwa den Propheten Jesaja, der Gott auch mal mit einer stillenden bzw. liebenden Mutter vergleicht – und sogar mit einer unter Schmerzen gebärenden Mutter. Wäre alles nicht so schlimm, wenn mit diesen Bildern nicht auch bestimmte Vorstellungen verbunden wären, die uns dann prägen. Das mag für manche nach wie vor der strenge und strafende Vater sein. Das Bild von der schützenden, bergenden Mutter steht dem dann gegenüber. Alles Klischees, klar, aber eben Klischees, die in unseren Köpfen nach wie vor eine Rolle spielen.

Die Aufmerksamkeit für Geschlechtlichkeit in der Sprache ist in den letzten Jahren gewaltig gewachsen. „Gendern“ ist ein hochbrisantes Thema geworden. Doch darum geht es hier eigentlich gar nicht. Eher um die daraus wieder neu und stärker wachsende Erkenntnis: Wer von Gott ausschließlich als „er“ redet, liegt theologisch falsch. Oder blendet zumindest einen nicht unerheblichen Teil der Bibel aus.

Nicht ohne Grund lautete eines der ursprünglichen Zehn Gebote: „Du sollst dir kein Bildnis machen“. Wohl, weil so ein Bild Gott eben verfügbar macht für uns, ihn/sie/es festlegt auf ein Bild. Ja, natürlich, auch die Bibel hat solche Bilder verwendet. Vater, Mutter, Burg und und und. Aber sie verwendet eben verschiedenste Bilder, um Gott darzustellen und damit die Weite und Größe Gottes anzudeuten.

In der Schriftsprache geht es noch relativ leicht. Das Judentum macht es uns, mit anderer Intention, vor: Statt Gottes Namen auszusprechen, der dafür zu heilig ist, sagen sie dort, wo die Buchstaben JHWH stehen, „Herr“. (Menschen, die sich nicht so gut mit Hebräisch und der hebräischen Schrift auskannten, lasen dann eben Jehovah. Aber das ist eine andere Geschichte.)

Im Deutschen wurde schon seit langem versucht, dies in irgend einer Form nachzuvollziehen. In manchen Bibeln steht HErr mit großem E oder gleich HERR komplett groß geschrieben. Besonders in der jüdischen Tradition bürgerte sich G´tt (im Englischen: G-d) ein, quasi als ein Zeichen dafür, dass Gottes Name unaussprechlich ist.

Daran – und an das umstrittene „Gendersternchen“ – lehnt sich eine neue Schreibweise an: G*tt. Menschen versuchen, damit auszudrücken: Gott ist nicht festgelegt. G*tt ist nicht männlich, nicht weiblich. G*tt ist mehr als das und mehr als alle unsere gedanklichen Grenzen.

Wie das nun ausgesprochen werden soll? Ehrlich gesagt: Ich weiß es auch nicht. Es werden sich Lösungen finden im Lauf der Zeit, so wie auch das Judentum mehrere Ersatzbenennungen für JHWH gefunden hat. Dass wir Gott nicht in Besitz nehmen können, indem wir ihr ein Geschlecht zuweisen, ist schwer zu ertragen, aber doch eine nötige Erkenntnis.

Auch die Church of England hat vor kurzem eine Kommission eingesetzt, die sich mit genau dieser Frage beschäftigen soll: Wir können wir von Gott geschlechtsneutral reden? Die Zeitung „idea“ titelt dazu: „Kirche von England erwägt Gott zu gendern“. Ich glaube, das führt uns inhaltlich auf eine falsche Fährte, und zwar auf eine Diskussion um ein heute schon für viele vergiftetes Thema. So kommen wir nicht weiter.

Es geht nicht darum, Gott zu „gendern“, was auch immer das heißen soll. Es geht darum, festzustellen: Wir haben durch unsere Verwendung von Sprache unser Gottesbild weitgehend eingeengt auf einen männlichen Gott. Und dann zu fragen: Wie können wir angemessener von Gott reden? Welche „Sprachspiele“ bieten uns Möglichkeiten, die eingefahrenen Wege zu verlassen? Wie kann diese Sprache nach wie vor auch schön, poetisch, anbetend, anklagend, trauernd und hoffend sein, so wie wir es aus den Psalmen und vielen anderen Texten kennen? Wir haben da noch viel zu lernen. Möge G*tt die Leuchte sein, die uns den Weg dazu weist.

weitere Blogs

G*tt ist Körper geworden. Was für eine Gedanke! Birgit Mattausch geht ihm nach.
Heute erscheint der sechste und vorerst letzte Beitrag unserer Themenreihe Polyamorie. Katharina Payk fragt: Wo kommt Polyamorie im Kontext von Kirche und Pfarrgemeinde vor?
Wenn man beim Krippenspiel improvisieren muss, kann man bisweilen mit ganz elementaren Fragen konfrontiert werden...