Der Mann war ein eingebildeter Schnösel, den niemand leiden konnte. Ein Mitarbeiter (Max Urlacher) vergleicht ihn in Anspielung auf die Geschichte von Hans Christian Andersen mit jenem Märchenkaiser, der sein imposantes neues Gewand vorführt, in Wirklichkeit aber nackt ist.
Immerhin gibt es eine Kollegin, die von der Tat profitiert: Leyla Günes (Yasemin Cetinkaya) wird nun die Büroleitung übernehmen. Sie ist der Feier ferngeblieben, weil sie keine Lust hatte, dabei zuzuschauen, wie sich Kaiser mit ihren Federn schmückte. Auf Linett Wachow (Stefanie Stappenbeck) macht die Frau jedoch nicht den Eindruck, als würde sie aus Karrieregründen einen kaltblütigen Mord begehen. Allerdings macht die Kommissarin einen schweren Fehler: Sie spricht Günes an, als die Architektin gerade an einem Kurs zur Therapie des Vagusnervs teilnehmen will, gibt sich jedoch nicht als Polizistin zu erkennen; die Aussagen wären vor Gericht nicht verwertbar. Günes sieht in ihr eine Seelenverwandte und berichtet von den typisch weiblichen Selbstzweifeln im Angesicht bedeutender Herausforderungen; deshalb habe sie die den Posten ihrem Kollegen überlassen. Später stellt sich raus, dass dies nur die halbe Wahrheit ist.
Die Ermittlungen konzentrieren sich zunächst ohnehin auf den Müllwerker Beckmann (Patrick Joswig), der allen Grund hat, mehr als bloß wütend auf den Büroleiter zu sein: Der Architekt war schuld daran, dass sich eine Praktikantin beinahe buchstäblich zu Tode geschuftet hätte. Er hat sie zwei Tage und zwei Nächte durcharbeiten lassen. Die Folge war ein Kreislaufkollaps mit anschließendem Schlaganfall; wäre sie da nicht schon im Krankenhaus gewesen, wäre sie gestorben. Beckmann war kurz vor dem Mord am Tatort, wie die Bilder der Überwachungskamera beweisen, und als in einer Sortieranlage eine Pistole zum Vorschein kommt, auf der sich seine Fingerabdrücke befinden, scheint der Fall klar; aber es handelt sich nicht um die Tatwaffe.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
All’ das erzählen Autor Jürgen Pomorin alias Leo P. Ard und Regisseur Martin Kinkel, beide schon seit vielen Jahren Teil der "Starkes Team"-Familie, innerhalb der ersten dreißig Minuten. Dann schlägt "Fast perfekte Morde" eine komplett andere Richtung ein. Als wäre der erste Fall nicht schon rätselhaft genug, kommt es kurz drauf zu einer weiteren vermeintlich willkürlich begangenen Tat: Ein Wirt wird nach Feierabend in seinem Lokal erschossen. Der Barmann war ein Schürzenjäger und hat vor seinem Tod die Warnung eines gehörnten Verlobten bekommen. Kriminalrat Reddemann (Arnfried Lerche) fordert sein Team auf, sich zunächst auf diesen Fall zu konzentrieren, zumal es keinerlei offenkundige Verbindung zwischen den Morden gibt.
Die Waffen waren unterschiedlich, die Opfer kannten sich nicht, aber Krimifans wissen: In solchen Fällen existiert irgendwo im Hintergrund eine Verknüpfung. Die erste ist geografischer Natur: Die Kneipe befindet sich in der Nähe des Architekturbüros. Die zweite scheint ein Zufall zu sein: Barkeeper Feldkamp war der deutlich jüngere Ehemann just jener Therapeutin (Carina Wiese), vor deren Haus sich Linett und Günes das erste Mal begegnet sind; aber in guten Drehbüchern gibt es keine Zufälle.
Wie Pomorin diese Konstellation im dritten Akt zuspitzt, ist ein großes Krimivergnügen; selbst wenn sich schließlich erahnen lässt, was sich zugetragen hat. Mit all’ ihrer Routine sorgen Autor und Regisseur in dem handwerklich auf gutem Niveau inszenierten Film zudem dafür, dass sich das neue Teammitglied immer besser integriert. Zunächst sorgt der von der IT-Abteilung ausgeliehene Nils Makowski (Lucas Reiber) zwar beim ohnehin schlecht gelaunten Kollegen Otto Garber (Florian Martens) für Unmut, weil er allzu offensichtlich mit einer Zeugin (Antonia Brill) flirtet, aber seinen Job erledigt er flott und gewissenhaft, sodass Reddemann ihn kurzerhand abwirbt.
Für die gewohnten kleinen Amüsements sorgen Sputnik (Jaecki Schwarz), der diesmal zwar essbare, aber völlig überteuerte Bierbecher feilbietet, sowie das übliche Geplänkel zwischen Otto und Rechtsmedizinerin Simkeit (Eva Sixt), die dem Hauptkommissar Albträume von einer stundenlangen Wanderung beschert, als sie sich nach seinem Fitnesszustand erkundigt.