Hilft Gott jetzt der Regierung?

Amtseide der Bundesregierung
Hilft Gott jetzt der Regierung?
Bei ihren Amtseiden haben viele Regierungsmitglieder die „religiöse Beteuerung“ weggelassen. Ist das ein Problem?

In meiner Medienblase scheint es fast nur noch ein Thema zu geben: Olaf Scholz hat das „so wahr mir Gott helfe“ weggelassen. Und alle grünen Minister*innen auch. Und vielleicht noch der eine oder die andere von der SPD – die FDP dagegen glänzte durch vollständiges Aufsagen des freiwilligen Schlusssatzes des im Grundgesetz festgelegten Amtseides.

Ja, und nun? Ist diese Regierung unchristlicher als die vorangegangene? Was soll das überhaupt heißen: „So wahr mir Gott helfe“?

Schon dazu, was diese Beteuerung überhaupt ist, gibt es verschiedene Ansätze, und vielleicht hilft uns das auch in der Einschätzung etwas weiter, ob und wenn ja was es über unsere neuen Regierungsverantwortlichen und ihren eventuell vorhandenen christlichen Glauben aussagt.

Zunächst einmal: Es heißt nicht „Das schwöre ich bei Gott“ oder etwas vergleichbares. Sondern: „So wahr mir Gott helfe“.

Die einen mögen das als eine Bitte um Gottes Hilfe bei einem eigentlich nahezu unmöglich in seiner Gesamtheit zu erfüllenden Schwur betrachten. So gesehen, wäre es ein Ausdruck zum einen der Bescheidenheit, in etwa so: Die Verantwortung, die ich hier als Kanzler oder Minister*in trage, ist für einen Menschen allein nicht zu tragen. Und zum anderen Ausdruck des persönlichen Vertrauens: Ich hoffe dabei auf Gottes Hilfe.

Ich weiß leider nicht mehr, wer das heute auf Facebook schrieb: Man könnte diesen grammatikalisch ziemlich seltsamen Halbsatz auch ganz anders lesen, nämlich eher im Sinne einer Selbstverfluchung, wie sie im Alten Testament gelegentlich zu finden sind, etwa in 2. Kön 6,31: „Gott tue mir dies und das, wenn ich (nicht) ...“ Dann würde es eher eine Bekräftigung sein, ungefähr des Inhalts: Wenn ich mich nicht an meinen Schwur halte, soll mir auch Gott in Zukunft nicht mehr helfen.

Ja – und dann ist da noch die Sache mit Jesus. Der hatte in seiner Bergpredigt ganz klar gesagt:

„Ich aber sage euch, dass ihr überhaupt nicht schwören sollt, weder bei dem Himmel, denn er ist Gottes Thron; noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße; noch bei Jerusalem, denn sie ist die Stadt des großen Königs. Auch sollst du nicht bei deinem Haupt schwören; denn du vermagst nicht ein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen. Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Bösen.“ (Mt 5, 34 ff)

Ganz auf den Schwur verzichten kann ein Minister, eine Ministerin nicht. Das sieht das Grundgesetz nicht vor. Doch die Diskussion darüber, ob so ein Schwur tatsächlich religiös „aufgeladen“ werden sollte, ist schon relativ alt. Schon 1973 – das weiß heute praktisch niemand mehr – hatten die beiden großen Kirchen vorgeschlagen, auf die Formel generell zu verzichten. Der frühere Justizminister Jürgen Schmude, der auch mal Präses der EKD war, scheint jedoch der einzige gewesen zu sein, der das bei seinen Vereidigungen 1976 und 1980 beherzigte – oder sich zumindest öffentlich auf diesen Vorschlag bezog. Das berichtete der Spiegel 2005 anlässlich der damaligen Vereidiguung. Da sieht man mal wieder, welchen Einfluss Worte der Kirchen haben ...

Vielleicht sollten wir die Verwendung oder Nicht-Verwendung dieser Formel nicht so einseitig als Ausweis des Glaubens oder Nicht-Glaubens der betreffenden Person sehen. So viele Gründe können dafür oder dagegen sprechen. Listen mit „der ja, die nein“ helfen uns da nicht weiter.

Ein wenig habe ich das Gefühl, dass es auch mit einer politischen – nicht nur religiösen – Grundeinstellung korreliert. Dass Mitglieder der christlichen Parteien die Formel nutzen, ist fast selbstverständlich, doch schützt es leider auch sie ebenso wenig wie Mitglieder anderer Parteien vor Verfehlungen, Fehltritten und groben Fehlern, die wir im Nachhinein manchmal sogar als „zum Schaden des Volkes“ auslegen.

Andere haben sich möglicherweise viele Gedanken dazu gemacht, die nicht an ihrem ganz persönlichen Glauben oder Nichtglauben hängen.

Was würden Sie tun, wenn Sie an dieser Stelle stehen würden und den Amtseid leisten müssten? Ich glaube, ich würde die religiöse Formel ganz bewusst nicht sprechen. Denn natürlich wüssten alle, dass ich vorher Pfarrer war, die Lebensläufe der Menschen „da oben“ werden ja ziemlich gründlich durchleuchtet. Für mich wäre es daher ein klares Zeichen, dass ich Minister (oder gar Kanzler) nicht nur für die sein will, die meinen Glauben teilen, sondern eben für alle Menschen. Auch für die, die mit „Gott“ gar nichts anfangen können.

Ich stimme Antje Schrupp zu, dass es an der Zeit wäre, eine neue, zeitgemäßere Formulierung zu finden, die säkularer ist, aber doch deutlich macht, „dass man sich hier einer Aufgabe verschreibt, die eigentlich übermenschliche Kräfte verlangt. Dass man etwas anstrebt – immer das Richtige tun, allen jederzeit Gerechtigkeit widerfahren lassen – was ein normaler Mensch eigentlich gar nicht schaffen kann.“

Wie die aussehen kann? Keine Ahnung. Ich bin froh, dass ich kein Minister bin. Aber ich werde kein Mitglied der Regierung danach bewerten, ob es diese Formel gesprochen hat oder nicht. Sondern daran, ob sie miteinander eine menschen- und schöpfungsfreundliche Politik anstreben. Und das hängt nach meiner Beobachtung nicht unbedingt daran, ob die Minister*innen vorher die religiöse Beteuerung gesprochen haben oder nicht.
 

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