Metalenzkavender

Advent
Metalenzkavender
Unter 24 Türchen am Tag stehen wir gar nicht erst auf.

„Letztes Jahr hatte ich fünf Adventskalender! Ob ich das dieses Jahr auch wieder schaffe?“ meinte unsere mittlerweile zehnjährige Tochter neulich zu mir. Dabei kriegen unsere Kinder von uns Rabeneltern traditionell nur diese ganz einfachen Schoko-Adventskalender mit völlig kitschigen Bildern vorne drauf. Egal, ob sie die Schokolade mögen oder nicht. Egal, ob sie schon lange ausgezogen sind oder noch zur Schule gehen. Kalendert wird immer. Wo die anderen Kalender alle herkommen? So richtig klar ist mir das nie geworden. Na ja, liebe Paten unserer Jüngsten, falls ihr das zufällig lesen solltet, wir sind diesmal erst bei zwei! Da geht noch was!

Ansonsten aber geht’s morgen wieder los. Türchen hier, Türchen da. Adventskalender per SMS oder per Mail. Türchen auf dem abgesagten Weihnachtsmarkt. Auf jeder zweiten Homepage mindestens einer. Der Hund, die Katze werden ebenso bedacht wie das kleine Kind mit Leseambitionen und täglich einem Pixi-Buch. Der Stapel Adventsdosen-Bierkalender für (glaube ich) 29,99 € zuzüglich 6 € Dosenpfand beim örtlichen Lebensmittelhändler ist tatsächlich auch auf Null geschrumpft. Und die diversen Erotik-Versandhäuser freuen sich offenbar über reißenden Absatz ihrer Produkte, in der Hoffnung, dass einige zufriedene Kundinnen und Kunden in Zukunft öfter was bei ihnen bestellen. (Alle Wortspiele, die irgendwas mit „zufrieden“ in diesem Zusammenhang anstellen, habe ich jetzt mühsam unterdrückt. Machen Sie sich die bitte selbst.)

Vor Jahren schon hatten wir, damals noch mit dem geschätzten, aber blogmäßig leider schon lang verstummten Kollegen Christian Spließ (1. Kön 18,22), eine tägliche Adventskalender-Rallye veranstaltet, in der wir den gesamten November jeden Tag einen neuen vorstellten. Leider sind die Fotos von damals einem Relaunch der Homepage zum Opfer gefallen, die Texte sollten aber noch irgendwo in diesem Netz rumfliegen oder besser gesagt beim Klick auf diesen Link erscheinen.

Eigentlich finde ich das mit dem Adventskalender eine ganz wunderschöne Sache. Sich auf den Weg machen, hin zu Weihnachten. Jeden Tag ein kleines Stückchen näher kommen. Türen öffnen, nicht nur im Kalender, sondern – ich schreibe das jetzt mal so schmalzig – im Herzen. Jeden Tag ein bisschen mehr freuen auf das Weihnachtsfest. Artet nur ein bisschen in Stress aus: Statt um sechs Uhr klingelt der Wecker nun schon um vier, schließlich muss mit der versammelten glücklichen Kinderschar zunächst der einfache Schokokalender geöffnet werden, dann die Überraschung aus dem Ü-Ei zusammengebaut werden. Anschließend geht es rüber zu Playmobil, auch da ist manchmal der eine oder andere Handgriff anzuwenden. Hund und Katz bekommen eben ihre kleine Überraschung, ebenso die Meerschweinchen, dann machen sich die glücklichen, aber noch ein wenig übermüdeten Kinder daran, das tägliche Ausmalbild zu verschönern. Zeit, mal schnell die Mails zu checken, den Bibelspruch zu lesen und die tägliche Adventsandacht zumindest zu überfliegen sowie die neunzehn verschiedenen SMS zur Kenntnis zu nehmen und in den Kunden-Apps der diversen Super- Bau- und sonstigen Märkte die aktuellen, nur heute gültigen, supergünstigen Adventskalandergebote wahrzunehmen. Weiter geht’s mit dem Tee und Kaffee des Tages, noch schnell den Kindern ein Schulbrot mit Zimtgeschmack eingepackt sowie das neueste Wichtelgeschenk für irgend ein unbekanntes Kind, und ab geht’s in die Schule. Zeit, die aufgerissenen Schokoladeverpackungen wegzuräumen, ist eigentlich nicht, denn auf der Arbeit wartet in der Teeküche schon der nächste Kalender. Jeden Tag darf jemand anders ein kleines Päckchen aufmachen, wobei nicht so ganz klar ist, wo der Kalender eigentlich herkommt, aber das weiß beim Weihnachtsmann ja auch niemand. Nach zwei Stunden Adventskalendermails checken ist dann eigentlich auch schon bald wieder Feierabend. Sobald die Hausaufgaben erledigt sind, kommt die zweite Runde mit den Kindern. Die sorgfältig verpackten Geschenke von Oma, Paten, Onkeln und Tanten wollen extra gewürdigt werden. Damit sind wir dann ein paar Stunden beschäftigt, bis schließlich im Kika täglich eine neue Folge von Beutolomäus läuft, dem einzig wahren Sack des Weihnachtsmanns. Streit schlichten zwischen den älteren Kindern, die noch den alten Beutolomäus lieben, und den jüngeren, die den modernisierten cool finden. Ach ja, kurz vor Ladenschluss noch schnell in den Supermarkt, das Mehl ist nur heute im Angebot für 10 Cent weniger. Plätzchen backen in der Weihnachtszeit, so spaßig mit den lieben Kleinen, die vor lauter Süßkram schon gar keine Lust mehr auf Teig naschen haben. Zum Nachtisch gibt’s den täglichen Lebkuchen aus dem Lebkuchenkalender, bevor die Kids ihren Zahnpastakalender öffnen, um sich mit der Überraschungszahnpasta des Tages die Zähne zu reinigen und übermüdet ins Bett zu fallen, aber halt, da gibt es noch die drei Bücher mit Geschichten von 1 bis 24, die alle vorzulesen sind. Nachdem nun auch Zwerg Fridolin, Elfe Barbarella und Rentier Rudolf brav ihre täglichen Abenteuer erlebt haben, ist der Nachwuchs eingeschlafen. Auch die Eltern fallen übermüdet ins wohlverdiente Bett. Der Kalender von dem diskreten Versandhaus mit dem kalten Namen aus der Fernsehwerbung wird einfach mal mindestens auf den nächsten Monat verschoben, denn in vier Stunden klingelt ja schon wieder der Adventskalendertürchenaufmachwecker.

Vielleicht sollten wir das Ganze ein wenig umstellen. Nicht mehr jeden Tag ein Türchen – wir nehmen einfach jeden Tag einen ganzen Kalender. So können wir doch trotzdem jeden Tag eine große Freude erleben. Egal, ob Schokolade oder Hundeleckerli, Ausmalbildchen oder Bibeltext.

„Meta“ nennt man das ja, wenn man sozusagen auf die übergeordnete Ebene geht. Ein Meta-Adventskalender. Metaventskalender. Metalenzkavender. Metalender, was auch immer.

Ist mir egal, ob Sie gar kein Türchen öffnen oder zwanzig am Tag: Genießen Sie die Adventszeit. Machen Sie was draus. Suchen Sie sich aus dem überbordenden Angebot das, was Sie selbst brauchen, um zu spüren: Gott kommt in die Welt. Ein Wunder geschieht. Bald.

weitere Blogs

Altar mit dekoriert in Regenbogen-Farben
Für diesen Blogbeitrag habe ich ein Interview mit Lol aus Mainz geführt. Lol ist christlich, gläubig und non-binär. Nicht für alle christlichen Kreise passt das gut zusammen.
Von Zeit zu Zeit die Welt beobachten. Heute: mein Glaube in diesem November
Martinstag ist ein schöner Feiertag: die bunten Lichter im Novembergrau, die Martinsmänner, die Geschichte vom geteilten Mantel.... aber man kann noch viel mehr tun, als dieser Bischof von Tours.