Heilig’s Carbönle!

Kirchenmusik
Heilig’s Carbönle!
Eine Maschinenbau-Studentin geht beim Instrumentenbau völlig neue Wege

Bald ist es wieder soweit: Allüberall aus den Lautsprecherritzen höre ich adventliche Posaunentöne, ähm, rieseln. Und vielleicht, sehr vielleicht, wird es uns sogar inzidenzmäßig möglich sein, am Heiligen Abend zum Schluss des Gottesdienstes mit vollem Einsatz des Posaunenchores und unter Glockengeläut „O du fröhliche“ zu singen und sich dabei so richtig echt weihnachtlich zu fühlen, so wie früher. Ja, Posaunen (und die anderen Blechbläser), gut gespielt, haben schon einen wirklich erhebenden Klang. Gebe ich als gelernter Querflötenspieler unumwunden zu.

Nicht „O du fröhliche“, sondern „Freude schöner Götterfunken“ spielt Anna-Lena Rotter im Video, das die Technische Hochschule Rosenheim über das Ergebnis ihrer Bachelor-Arbeit gedreht hat. Nicht ganz so erhebend wie ein ganzer Posaunenchor, ist ja auch nur eine einzelne Stimme. Auf einer Posaune. Oder auch nicht – sie sieht irgendwie grau bis schwarz aus und kommt mehr oder weniger aus dem 3D-Drucker. Ja, tatsächlich: Diese Posaune besteht nicht aus Metall, sondern aus carbonverstärktem Plastik, gedruckt in einem 3D-Drucker. Heilig’s Blechle! Das ist ja mal was ganz Außergewöhnliches

Mehrere Monate hat die Studentin für ihre Bachelorarbeit getüftelt, eine echte Posaune in ein 3D-Modell umgewandelt, der Drucker lief zwei Monate weitgehend durch, bis das Ergebnis vorlag.

Und das kann sich wirklich hören lassen. Ein angenehmer, etwas dunklerer, weicher Klang. Festes Material, das auch mal einen Stoß aushält. Und vor allem: Die neuartige Posaune wiegt mit 500 Gramm nur ungefähr ein Drittel von dem, was normale Posaunen so auf die Waage bringen. Noch dazu sind die Herstellungskosten deutlich unter denen eines Blech-Instruments, das eigentlich ja aus Kupfer ist, aber eben Blech heißt.

Der Rosenheimer Musiklehrer Wolfgang Gahabka zeigt sich sehr angetan von dem gedruckten Zuginstrument. Ganz abgesehen von dem angenehmen Klang: Ein günstiges, leichtes und fast unverwüstliches Instrument – das scheint doch genau das richtige für Grundschulkinder zu sein, die sich zum ersten Mal an ein Blasinstrument wagen und die schweren Geräte noch kaum halten können. Dazu kommt, dass Plastik natürlich nahezu beliebig eingefärbt werden kann. Eine pinke Posaune mit Prinzessin Anna oder eine schwarze mit Spiderman. Macht sich im Kirchenposaunenchor sicher auch super und sorgt für neue Farbtupfer. Ein paar Verbesserungen sind noch nötig für die zweite Version der Neuentwicklung – aber ich bin mir fast sicher, dass wir in wenigen Jahren deutlich mehr von diesen Instrumenten sehen und hören werden.

Könnte also durchaus sein, dass sich der Klang von Jugendblasorchestern und jungen Posaunenchören in Zukunft ein klein wenig verändert. Und dass es vielleicht nicht mehr ganz so blinkt und blitzt und stattdessen bunter und farbiger zugeht. Zu klären wäre allerdings noch, ob man nun diese Kohle-Plastik-Variante eigentlich noch zu den Blechbläsern zählen kann. Na ja, andererseits ist ja auch die metallene Querflöte ein Holzblasinstrument.

Unwissende fühlen sich bei diesen Bezeichnungen möglicherweise etwas verkohlt, aber isso. Nur der alte Spruch muss ein wenig upgedatet werden. In Zukunft sagen die Schwaben dann halt als Ausdruck ihres Erstaunens „heilig’s Carbönle!“ Man muss halt ein wenig mit der Zeit gehen. Wir Mittelfranken bleiben einfach bei „Allmächd“. Frohe Weihnachten!

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