Immer noch schauen wir fassungslos auf die Bilder, sehen die Berichte von den von der Flut zerstörten Gebieten, hören von Vermissten, Toten und von Menschen, die alles verloren haben, sind vielleicht auch selbst davon betroffen. Gerade heute, am Freitag, den 23. Juli, sollen in großen Teilen Deutschlands die Glocken läuten zum Gedenken an diese Menschen.
In jener Nacht, als die Flut so plötzlich und heftig über so viele hereinbrach, wurde schnell klar: Es fehlt vielerorts an Möglichkeiten, die Menschen zu warnen. Sirenen waren abgebaut oder funktionierten nicht, die Warn-Apps sowieso nicht. Da hatte Bruder Dirk aus Wuppertal-Beyenbürg eine Idee: Er läutete die Sturmglocke seines Klosters Steinhaus und rettete damit möglicherweise sogar Menschenleben.
Eigentlich eine ganz simple Idee – und der Grund, warum mancherorts die Kirchtürme bis heute zum Teil nicht von den Kirchengemeinden, sondern von den politischen Gemeinden unterhalten werden. Denn Glocken: Die waren nicht nur dazu da, zum Gottesdienst zu rufen oder den Hausfrauen am Sonntag zu sagen, wann die Klöße ins Wasser müssen (ja, in meiner mittelfränkischen Heimat gab’s sonntags das „Klößläuten“ um halb zwölf, kein Witz). Sie riefen auch die Bauern von den Feldern und – sie läuteten bei Gefahr. Meist gab es verschiedene Glocken oder Kombinationen davon für verschiedene Anlässe und die Menschen wussten, was das Läuten bedeutete.
Angesichts der Diskussionen um die Reaktivierung von Sirenen gab es tatsächlich in diesen Tagen vereinzelt den Vorschlag, doch einfach die nahezu überall vorhandenen Kirchenglocken zu einem Warnsystem zusammenzuschließen. Doch vielleicht sind sie in den seit dem Mittelalter kräftig gewachsenen Ortschaften auch nicht mehr überall zu hören.
Aber in Zeiten wie diesen, in denen wir immer öfter schnell und unvorbereitet in Gefahr geraten können, ist es vielleicht ganz gut, sich daran zu erinnern: Auch die Kirchenglocken können vor Gefahr warnen. Danke, Bruder Dirk.
Und nun, da ich diesen Artikel veröffentliche, ist es kurz vor 18 Uhr. Zeit, innezuhalten, während in ganz Deutschland die Glocken läuten. Diesmal nicht, um vor Gefahr zu warnen. Sondern um zum Gebet und zum Innehalten aufzurufen.