Warum wird feiertags gewählt?

Ein deutscher Kalender zeigt Sonntag den 23.02.2025.
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An diesem Sonntag finden in Deutschland die Bundestagswahlen statt.
Immer wieder sonntags
Warum wird feiertags gewählt?
In Deutschland finden traditionell Wahlen zum Bundestag und zu Länderparlamenten an Sonntagen statt. Warum eigentlich?

Das habe verschiedene Gründe – und früher war es auch schon anders, sagen der Hamburger Politikwissenschaftler Kai-Uwe Schnapp und der Direktor der Landeszentrale für politische Bildung aus Schwerin, Jochen Schmidt.

"Im Jahr 1871 – die Reichstagswahl im Kaiserreich war an einem Freitag", sagt Jochen Schmidt, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung in Mecklenburg-Vorpommern. Und dann sei der Wahltag auch schon mal an einem Mittwoch und einem Dienstag erfolgt. Erst seit der Weimarer Reichsverfassung im Jahr 1919 wurde festgelegt, dass die Wahlen "an einem Sonntag oder an einem öffentlichen Ruhetag sein sollen", sagt er. "Das gilt im Grunde bis heute." 

Für den Sonntag als Wahltag sprechen gleich mehrere praktische Gründe: "Sonntag ist in Deutschland traditionell ein Ruhetag, dadurch haben viele Menschen mehr Zeit, ihre Stimme abzugeben, ohne dass sie durch berufliche oder familiäre Verpflichtungen eingeschränkt sind", sagt der Politikwissenschaftler Prof. Kai-Uwe Schnapp gegenüber evangelisch.de. Man rechne auch mit einer höheren Wahlbeteiligung an Sonntagen, sagt der Wissenschaftler von der Universität Hamburg. Außerdem mache der Sonntag es gleichzeitig leichter, Wahlhelfende zu finden.

Die Sonntagsregelung wurde von der jungen Bundesrepublik übernommen. "Sie wurde 1956 im Bundeswahlgesetz verankert, um den Bürgerinnen und Bürgern die Teilnahme an Wahlen zu erleichtern", bestätigt Jochen Schmidt aus Schwerin.  Vor der Einführung dieser Sonntagsregelung fanden Wahlen an verschiedenen Wochentagen statt, "was oft zu einer geringeren Wahlbeteiligung führte", ergänzt Schmidt. Die Entscheidung, Wahlen auf den Sonntag zu legen, "sollte auch dazu beitragen, die demokratische Teilhabe zu fördern".

Die Begründung für die Wahl am Sonntag sei jedoch noch vielschichtiger. Nicht nur die Wahlbeteiligung an einem Sonntag solle höher sein. Die Menschen seien weniger abgelenkt und hätten mehr Zeit, sich mit den Wahlunterlagen und den zur Wahl stehenden Themen auseinanderzusetzen, glaubt Schmidt. Auch die öffentlichen Gebäude, Schulen und Kitas, in denen die Stimmabgabe erfolgt, stünden sonntags leer und könnten ohne großen bürokratischen Aufwand genutzt werden.

Niederländer wählen mittwochs

Trotz vieler Argumente für den siebten Tag in der Woche: Nicht alle europäischen Länder legen ihre Wahltermine auf Sonntage. In den Niederlanden beispielsweise finden die Wahlen in der Regel an einem Mittwoch statt, bestätigt Jochen Schmidt aus Schwerin.  Diese Tradition habe in Holland historische und religiöse Wurzeln. "Man wollte auch Rücksicht auf die protestantische und reformierte Bevölkerung nehmen", sagt er. In den Niederlanden galt der Mittwoch als Markttag und viele Menschen seien ohnehin an diesem Tag unterwegs und konnten das mit der Stimmabgabe verbinden.  

In Dänemark habe man einen anderen Wochentag gewählt: Hier finden die Wahlen traditionell an einem Dienstag statt. Diese Praxis wurde eingeführt, um den Wählern zu ermöglichen, ihre Stimme abzugeben, bevor sie in den Urlaub fahren oder andere Verpflichtungen haben, sagt Schmidt. Der Dienstag funktioniere in Dänemark ebenfalls gut als Wahltermin. In Irland wählt man übrigens am Freitag - möglicherweise wird aus religiösen Gründen nicht der Sonntag genommen, vermutet Schmidt.  

Großbritannien wählt donnerstags

Es gibt noch andere Demokratien, in denen wochentags gewählt wird. "Großbritannien wählt zum Beispiel immer an einem Donnerstag und die Vereinigten Staaten wählen an einem Dienstag", sagt der stellvertretende Direktor der Hamburger Landeszentrale für politische Bildung, Eike Pockrandt. 

Trotz all dieser Ausnahmen gilt: "Weltweit sind Sonntagswahlen wesentlich häufiger als Wahlen an anderen Wochentagen", bestätigt der Politikwissenschaftler Prof. Kai-Uwe Schnapp. So gebe es auch wenig Anlass bislang, den Sonntag als Wahltag zu verschieben. "Die Verschränkung unterschiedlicher Wahlebenen (Kommune, Land, Bund, Europa), die alle unter einen wahlgesetzlichen Rahmen gebracht werden müssen, macht es, selbst wenn man wollte, sehr schwer, diese Tradition zu ändern", sagt Schnapp. Bislang habe er auch "keine entsprechende Diskussion" wahrgenommen, dass die Sonntagstradition auf den Prüfstand solle.