Büchersargrecycling

Büchersargrecycling
Nach dem Tod braucht man vieles nicht mehr. Warum also nicht einfach Vorhandenes umbauen?

Ja, das Thema „Sterben“ ist kein einfaches, doch trotzdem – oder gerade deshalb? - gibt es viele, sagen wir mal: interessante Ideen, wie der Abschied aus dieser Welt zu gestalten ist. Schon des öfteren hatten wir in diesem Blog darüber berichtet.
Heute kommen wir zu einer eigentlich schon etwas älteren Erfindung, die einerseits ziemlich genial, andererseits aber auch irgendwie etwas makaber ist: Dem Bücherregalsarg. Genau. Der britische Designer William Warren entwarf bereits vor über zehn Jahren ein recht hübsch anzusehendes Bücherregal – das nach dem Tod des Besitzers oder der Besitzerin umgebaut werden kann in einen schmucken Sarg. Krone.at berichtete bereits 2009 darüber, aber was sind schon zwölf Jahre im Angesicht der Ewigkeit.

„Shelves for life“ nannte Warren dieses Teil. Regale fürs Leben. Eine ziemlich sinnige Namensgebung, denn nach dem Ende des Lebens sollen sie ja keine Regale mehr sein. Und die Idee, durch ein solches Möbelstück in der eigenen Wohnung immer an die eigene Sterblichkeit und Vergänglichkeit erinnert zu werden, ist vielleicht gar nicht so schlecht. Viel zu oft verdrängen wir diese Thematik, reden nicht gern darüber, schieben alles weg, was mit dem Tod zu tun hat, und sind dann völlig überfordert, wenn wir plötzlich damit konfrontiert werden. „Memento mori“. Bedenke, dass du sterblich bist.

So, wie ich die Dinge kenne, entwickeln sich da durchaus interessante Gespräche. Vermutlich heißt das Regal dann in vielen Haushalten schlicht „der Sarg“, so wie wir beispielsweise unsere Medikamente im „Schlot“ im „L-Keller“ aufbewahren, ohne über diese Bezeichnung auch nur jemals nachzudenken. „Lass uns heute einen guten Whiskey trinken, hol mal die Flasche, die steht im Sarg oben rechts“. „Wo hab ich nur meinen Schlüsselbund hin?“ - „Ich hab den vorhin im Todesregal liegen sehen“. „Oh, danke für die Blumen! Ich stell sie mal ins Lebensregal.“ Etwas makaberer: „Die Thriller stehen alle in der Todeskiste, oberstes Fach.“ Oder auch nur: „Hast du den Sarg wenigstens an der Wand befestigt? Nicht dass du von ihm erschlagen wirst, das wäre schon irgendwie komisch.“

Praktisch ist die Sache in vielen Fällen sicherlich auch, und das gleich aus mehreren Gründen. Zum einen stehen viele Hinterbliebene vor der undankbaren und auch seelisch belastenden Aufgabe, die Wohnung später leerzuräumen. Da ist dann schon mal ein Stück weniger zu erledigen. Gleichzeitig mag das Zusammenbauen des Sargs sogar eine tröstende Wirkung haben. In der ersten Phase der Trauer sind die meisten sehr dankbar, dass es so viel zu tun gibt: Ämter, Bestattungsunternehmen, Kirche, Karten und Zeitungsanzeigen schreiben und so weiter. Einen Sarg selbst zu bauen, könnte da tatsächlich nochmal eine schöne und vor allem handwerkliche Ablenkung sein, mal ganz abgesehen von der finanziellen Erleichterung.

Dennoch stellen sich mir so einige Fragen. Vor allem: Wohin mit den Büchern? Oder was auch immer in dem Regal gelagert ist, es wird sicherlich nicht leer herumstehen. „Räum mal die Bücher weg, wir wollen Opa beerdigen“? Nun also Umzugskartons oder andere Regale oder Fußboden oder einfach Altpapier. Mit in den Sarg können die Bücher vermutlich eher nicht. Wobei – besonders eifrige Leseratten fänden diesen Gedanken vielleicht sogar sehr schön, gemeinsam mit ihren Lieblingsbüchern beerdigt zu werden. Vermutlich entspricht das aber nicht den deutschen Beerdigungsvorschriften, da bin ich selbst als Pfarrer überfragt. Oder aber es ist lediglich ein schönes Gefühl, ein Stück „Zuhause“ (das Regal) mitzunehmen auf diesen letzten Weg auf dieser Erde.

Ob die Erben vielleicht für den Inhalt des Regals ein neues Regal fürs Leben anschaffen? Ob sie überhaupt wissen, dass ein Sarg eigentlich schon bereitsteht? Ist die Innenauspolsterung eigentlich schon irgendwie dabei? Ist zwar eigentlich nicht nötig, aber für die Angehörigen doch irgendwie schöner, wenn die Verstorbenen auf Kissen gebettet liegen. Sie merken schon: Das Regal wirft Fragen auf, in ganz verschiedene Richtungen. Und das, glaube ich, ist durchaus gut so. Spielerisch und mit etwas Humor kann man sich so dem schwierigen Thema „Tod“ nähern. Manche Menschen dagegen könnte so ein Gegenstand, der sie ständig an die eigene Vergänglichkeit erinnert, auch eher depressiv machen. Dann allerdings sollten Sie das Regal schleunigst entfernen. Vielleicht findet sich ja in der Verwandt- oder Bekanntschaft jemand, der oder die das gute Stück für die letzte Reise gut gebrauchen kann.

Falls Sie jetzt selbst Interesse an so einem multifunktionalen Möbelstück bekommen haben: Offenbar bieten etliche Schreiner das durchaus an. Fragen Sie doch mal nach. Wir wünschen Ihnen jedenfalls einen jahrzehntelangen, fröhlichen Gebrauch des neuen Einrichtungsgegenstands. Das mit dem Umbau hat hoffentlich noch Zeit.

weitere Blogs

Warum Weihnachten hinter einer Mauer liegt und was sie überwinden kann.
G*tt ist Körper geworden. Was für eine Gedanke! Birgit Mattausch geht ihm nach.
Heute erscheint der sechste und vorerst letzte Beitrag unserer Themenreihe Polyamorie. Katharina Payk fragt: Wo kommt Polyamorie im Kontext von Kirche und Pfarrgemeinde vor?