Die Bibel befreit!

Die Bibel befreit!
In Brasilien können Strafgefangene ihre Strafe ganz einfach mindern.

Im brasilianischen Bundesstaat Maranhão beginnen die Strafgefangenen nun wohl wie verrückt mit der Lektüre: Durchs Lesen der Bibel können sie sich nämlich eine Verkürzung ihrer Strafe verdienen. Die Hürden sind aber relativ hoch: Pro biblischem Buch gibt‘s gerade mal 4 Tage, außerdem ist eine Zusammenfassung des Buches zu schreiben – Mogeln hilft also nicht, außer, es bildet sich demnächst ein Schwarzmarkt für fertige Bibelbuchzusammenfassungen. Maximal 12 Bücher pro Jahr sind drin, also doch immerhin 48 Tage Ermäßigung. Wenn das mal nicht anspornt, in der Bibel zu lesen! Bisher gab‘s nur 4 Tage für die Bibel als Ganzes – das war wohl eher unattraktiv. 

Einerseits freut es mich natürlich, wenn Menschen anfangen, die Bibel zu lesen. Und besonders im evangelikalen Bereich kursieren ja viele Erzählungen von Menschen, die ihr Leben nach der Lektüre der Bibel (oder eines Teils davon) gründlich geändert haben. Da können wir nur hoffen und darauf vertrauen, dass dies auch in Brasilien so geschieht und der Heilige Geist auf seinen manchmal unergründlichen Wegen wirkt. Genau so begründet das auch der Abgeordnete Mical Damasceno, der die Gesetzesinitiative angestoßen hatte: Die Bibel sei nun mal eine „verändernde Kraft“ – dem möchte ich sicher nicht widersprechen.

Dennoch finde ich die Maßnahme … tja, was eigentlich? Seltsam? Müsste ein religiös neutraler Staat nicht wenigstens auch die Lektüre anderer Heiliger Schriften anerkennen? Wie käme man auf halbwegs vergleichbare Werte? Schon innerhalb der Bibel ist ja beispielsweise der 2. Johannesbrief (13 Verse), na ja, ein „klein wenig“ kürzer als der Prophet Jesaja. Was ist mit Menschen, die gar nicht lesen und schreiben können? Was ist mit denen, die es zwar schaffen, ein solches Buch zu lesen, aber mit einer Zusammenfassung völlig überfordert sind?  Die müssen dann alle im Knast bleiben, oder wie? 

Vielleicht wäre es umgekehrt auch wichtiger, ja christlicher, erst einmal für bessere und humanere Verhältnisse in brasilianischen Gefängnissen zu sorgen. Diese gehören wohl, so lese ich, mit zu den schlimmsten der Welt und gelten ganz im Gegensatz zu dem Vorsatz der Bibelleseaktion eher als Brutstätte der Kriminalität denn als Zentren, von denen christlicher Glaube ausgeht.

Trotzdem: Befreiung, Freiheit – das ist ein ganz wichtiges, zentrales Thema in der Bibel. Gott macht uns frei! Die Sehnsucht nach Freiheit spricht aus vielen Versen der Bibel. „Wenn der HERR die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden“, so heißt es in Psalm 126. So viele Geschichten handeln von Gefangenschaft und Befreiung. Eine wirklich lesenswerte Lektüre – nicht nur für Gefangene. Nehmen Sie sich doch mal vier Tage Zeit dafür.

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