Einstürzende Neubibeln

Einstürzende Neubibeln
So eine Bibel kann echt richtig gefährlich sein. Jedenfalls am Bodensee.

„Bibel verletzt Mann“. So lautete die Schlagzeile vor nunmehr auch schon einem Monat. Eine Bibel war diesem Herrn auf das Bein gefallen. Wäre normalerweise ja jetzt nicht so das Ding, wäre diese Bibel eine ganz normale Lutherbibel, Gute Nachricht, Einheitsübersetzung oder sonstwas. Selbst in der Großdruckausgabe könnte da nicht so wahnsinnig viel passieren. Doch ausgerechnet diese Bibel bestand nicht einfach aus schnödem oder gediegenem Papier (das natürlich auch ganz schön schwer sein kann, schleppen Sie mal 15.000 Veranstaltungsflyer von A nach B!), sondern – aus Granit. Sie war Teil einer Skulptur bei einer Ausstellung in Wasserburg am Bodensee. 250 Kilogramm schwer. Nur mit vier Schnallen befestigt, die möglicherweise jemand aus Spaß geöffnet hatte – was aber dann wirklich kein Spaß mehr war.

Rums, da lag die Steinbibel am Boden und der Unterschenkel des armen 44jährigen war gebrochen. Ein göttliches Zeichen? „Du sollst nicht so viel laufen, sagt Gott“? Es wäre jetzt natürlich spannend zu erfahren, wie der ärmste Bibelgeschädigte zum christlichen Glauben steht. Leider war es uns nicht möglich, irgend etwas über seine Identität zu erfahren – gerne hätten wir ihn dazu interviewt, wie er dieses außergewöhnliche Erlebnis verarbeitet hat. Wir hoffen zumindest wirklich sehr, dass er keine bleibenden Schäden davongetragen hat. 

Von der Bibel beinahe erschlagen – wie sollen wir das verstehen? Ist das Gottes „Holzhammermission“, aber aus Stein? Soll es an die Zehn Gebote erinnern, die laut Bibel ebenfalls in Stein gemeißelt waren? Oder soll es ein Zeichen Gottes sein, dass dieser Mensch die biblischen Gebote nicht eingehalten hat? Eine Strafe?

Letzteres liegt auf der einen Seite nahe – doch schon Jesus hat sich dagegen gestellt, zwischen dem Tun eines Menschen und seinem Wohlergehen einen Zusammenhang herzustellen. „Tun-Ergehens-Zusammenhang“ nennt man das in der Theologie, ein Wort, das so oft vorkam, dass ich im Studium für meine Notizen sogar eine eigene Abkürzung dafür hatte: tez. 

Jesus macht es an einem Beispiel deutlich, das erstaunlich nahe an dem, haha, Bibel-Vorfall dran ist. In Matthäus 5 bezieht er sich auf einen Vorfall seiner Zeit: „Oder meint ihr, dass die achtzehn, auf die der Turm in Siloah fiel und erschlug sie, schuldiger gewesen sind als alle andern Menschen, die in Jerusalem wohnen?  Ich sage euch: Nein; sondern wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle auch so umkommen.“

Soll heißen: Vor Gott hätten wir alle Strafe verdient. Wenn es danach ginge, müsste so eine Bibel, so ein Turm auf jeden von uns fallen. Jesus dreht die Perspektive um: Es ist nicht Gottes Strafe, wenn uns etwas zustößt. Sondern Gottes Gnade, dass es meistens nicht geschieht. 

Das ist jetzt für den armen Herrn, der da so hinterrücks von einer Bibel überfallen wurde, auch kein Trost. Wir wünschen auf jeden Fall unbekannterweise gute Besserung, vollständige Genesung und keine durch fallende Bibeln ausgelöste Glaubenskrise.

weitere Blogs

Regenbogengottesdienst  in Adventszeit
Ein Gedicht zum Heiligen Abend aus queerer Perspektive nicht nur für queere Christ:innen.
Warum Weihnachten hinter einer Mauer liegt und was sie überwinden kann.
G*tt ist Körper geworden. Was für eine Gedanke! Birgit Mattausch geht ihm nach.