„Das gemeinsame Ziel [aller Gruppierungen der Evangelischen Jugend] besteht darin, als mündige und tätige Gemeinde Jesu Christi das Evangelium von Jesus Christus den jungen Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit zu bezeugen.“
Dieser – zugegeben etwas sperrige – Satz aus dem ersten Absatz der Ordnung der Evangelischen Jugend in Bayern beschäftigt mich, seit ich ihn mit ungefähr 15 Jahren das erste Mal las. Was heißt das: „in ihrer Lebenswirklichkeit“? Was bedeutet das, wenn diese Lebenswirklichkeit eben keine regelmäßigen Gottesdienstbesuche oder Jungscharabende (allein dieses Wort!) beinhaltet? Was bedeutet es für alle Menschen, nicht nur für die jungen, wenn Kirche in ihrer Lebenswirklichkeit eigentlich gar keine Rolle mehr spielt?
Die noch relativ junge Fresh-Expressions-Bewegung etwa hat sich diese Frage auf die Fahnen geschrieben: Wie sprechen wir die Menschen dort an, wo sie sind? Manche wirklich interessante Projekte sind aus dieser Frage entstanden, oft sehr spezifisch auf eine Stadt und ein Milieu zugeschnitten. Ich selbst bin bei meiner Suche nach der Lebenswirklichkeit der Menschen bei der Arbeit der Citykirchen gelandet. Und bei der Frage: Was bewegt die Menschen in der Stadt? Ein wachsendes Netzwerk aus fast 120 Einrichtungen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Frankreich ist da entstanden, mit ganz unterschiedlichen Ansätzen im Detail, aber doch mit dem gemeinsamen Anliegen, die Menschen, die sich in der Stadt bewegen, auf ihre Glaubens- und Lebensfragen, eben: Auf ihre Lebenswirklichkeit anzusprechen.
Die Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit ansprechen. Das hört sich so leicht an – und ist es oft nicht. Manchmal dann aber schon. Man muss halt nur die richtigen Fragen stellen, so wie Carla Böhnstedt von der Citypastoral Berlin-Mitte, mit mir zusammen im Sprecherteam des Netzwerks Citykirchenprojekte. Und dann sieht mit der richtigen Frage alles ganz simpel aus.
Auf der Website der Bonifatiuswerks, das die Aktion unterstützt, können Sie die Bögen auch online kaufen. Begleitend dazu gibt es passende Postkarten und ein kleines Heft mit Impulsen und Gedanken. Und natürlich gibt es begleitende Aktionen in Berlin: An manchen Tagen können Sie sich Ihre Einkäufe im KaDeWe oder in der "Galeria Kaufhof" am Alexanderplatz von Erzbischof Koch persönlich einpacken lassen; an anderen Tagen von weiteren Mitarbeitenden des Erzbistums. Auf Instagram, Twitter und Facebook berichtet das Erzbistum von den Aktionen unter den Hashtags #gott #mitteninsleben. Eine eigene Website www.gott-mitteninsleben.de stellt die Aktion vor. Und kurz vor Weihnachten, am 22. Dezember, sollen „Notfall-Pakete“ am Bahnhof Alexanderplatz verteilt werden: Ein Bogen Geschenkpapier und alles, was man benötigt, um das auf den letzten Drücker gekaufte Geschenk für Oma noch schnell einpacken zu können.
Eine einfache Frage war der Auslöser für diese ganze Kampagne: Was brauchen die Leute? Eine einfache Antwort: Geschenkpapier. Und dann brauchte es noch Mut – und natürlich Geld – um diese Antwort auch konsequent umzusetzen. Respekt dafür!
Abgesehen davon, dass ich natürlich etliche Bögen des Papiers für meine eigenen Geschenke geordert habe, bleibt für mich die Frage: Was brauchen die Menschen in meiner Stadt? Was bewegt sie und wie können wir darauf reagieren? Es wird vielleicht kein Geschenkpapier sein, das die Menschen in meiner eher kleinen Stadt Schweinfurt brachen. Aber was dann? Wie kommen wir (wieder) dazu, fröhlich und mutig das Evangelium den Menschen genau da zu bezeugen: In ihrer Lebenswirklichkeit?
Nachtrag 1.12.: