Liebe Gemeinde, Prost!

Liebe Gemeinde, Prost!
Foto: Wolfgang Schürger
Ein Pfarrer ist in ganz besonderer Weise auf dem Münchner Oktoberfest aktiv ...

Christen haben ja manchmal ein etwas angespanntes Verhältnis zum Alkohol. Während in einigen eher puritanischen Richtungen der Genuss derartiger Getränke eher verpönt ist, haben andere – denken wir nur an die Mönche und ihre diversen Bierbrauereien! - den Genuss geradezu zur Kunstform erhoben. Und dann ist da noch Jesus, der mit seinem ersten Wunder ausgerechnet Wasser zu Wein machte, so dass die Menschen fröhlich weiterfeiern konnten, auf jener berühmten Hochzeit zu Kanaa. Ach ja, und dann war da natürlich ganz am Ende seines Wirkens auf der Erde wieder etwas mit Wein: Als er mit seinen Jüngern das Abendmahl feierte und über den Wein sagte: „Das ist mein Blut, das für euch vergossen wird, zur Vergebung der Sünden.“ Bis heute erinnern wir uns in unseren Gottesdienste daran, feiern gemeinsam, meist mit Wein, manchmal auch mit Traubensaft.

Heutzutage sind insbesondere auch die Kirchweihen zu Orten geworden, an denen gut, gerne und auch viel gezecht wird – der ursprüngliche Anlass der „Kirchweihe“ ist dabei meist ein wenig in den Hintergrund geraten. Aber da, wo Menschen feiern, fröhlich und ausgelassen sind, da ist es gut, wenn auch wir Pfarrerinnen und Pfarrer anwesend sind. Auch ich habe schon mal auf der Kirchweih nachts um halb drei eine Beichte abgenommen. OK, zumindest beinahe. Leider kam dann die Freundin des Betroffenen dazwischen.

Hut ab vor einem katholischen Kollegen, der nun durch eine eher ungewöhnliche Aktion in die Schlagzeilen geriet, obwohl er schon jahrelang auf dem Münchner Oktoberfest aktiv ist: Der Münchner Pfarrer Rainer Maria Schießler nimmt sich jedes Jahr Urlaub, um als Bedienung im Schottenhamel-Zelt zu arbeiten. Zu Hause beherbergt er noch etliche weitere Angestellte, die sonst kaum eine Unterkunft finden würden. Er ist nicht nur Bedienung – sondern gewissermaßen ehrenamtlicher Seelsorger für die, die auf der Wiesn arbeiten. Und das Geld, das er in dieser Zeit verdient, spendet er laut Süddeutscher Zeitung für Bedürftige an der Elfenbeinküste und für syrische Kriegsopfer.

In die Schlagzeilen geriet er nun allerdings, weil er als Kellner aktiv wurde und nicht als Seelsorger. Er ertappte einen jungen Mann dabei, wie er ein nicht für ihn bestimmtes „Vorspeisen-Brett“ am Nachbartisch vertilgte oder zumindest, sagen wir: verkostete. Da sich der Brotzeitdieb weigerte zu zahlen, eskalierte die ganze Sache, die doch hier mit anwesendem Pfarrer samt Geldbörse recht schnell für schlappe 14,50 Euro aus dem Weg zu schaffen gewesen wäre. Polizei, Gewahrsam, Ausnüchterung, wir kennen das ja von diversen Meldungen. Eben der ganz normale weltliche Gang der Dinge.

Kollege Schießler wird weiter täglich im Schottenhamel-Zelt seine 14 Maßkrüge stemmen. Er wird weiter für seelsorgerliche Gespräche da sein, Brotzeiten servieren, säumige Zahler verfolgen. Gut, dass Kirche auch hier anwesend ist. Danke, lieber Kollege Schießler. Wie sagten die Römer? Prosit. Zu deutsch: Es möge nützen.

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