Der Ramadan sei traditionell ein Monat, der auch der Versöhnung und Verständigung gewidmet sei, schreibt die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, in ihrem Brief an Muslim:innen in Deutschland, der am Donnerstag in Hannover veröffentlicht wurde. "Viele Einladungen zum allabendlichen Fastenbrechen, bei denen auch Menschen anderen Glaubens willkommen geheißen werden, entspannen das gesellschaftliche Klima in Kommunen, Städten und Gemeinden nachhaltig."
Der Fastenmonat durchbreche die tägliche Routine und lenke die Aufmerksamkeit auf das, was Menschen ebenso nötig haben wie Essen und Trinken. "Dazu gehören Familie, Freunde und Nachbarn, aber auch die Beheimatung in einer religiösen Gemeinschaft sowie eine lebendige, alltagsbewährte Beziehung zu Gott."
Die Landesbischöfin der evangelischen Nordkirche, Kristina Kühnbaum-Schmidt, ruft in ihren Grüßen an Muslime anlässlich des Ramadan-Beginns zur Besinnung auf Gott auf. Zugleich appelliert sie an den interreligiösen Zusammenhalt in Zeiten globaler Herausforderungen, wie die Nordkirche mitteilt. "Ich hoffe und bete, dass die kommenden heiligen Zeiten unserer Religionen - der Ramadan und die Osterzeit - allen Gläubigen neue Kräfte schenken", schreibt Kühnbaum-Schmidt demnach in ihrem Brief.
Der 79. Psalm erinnere daran, dass Gott der wahre Helfer aller Geschöpfe sei: "Von Gott kommt die Kraft, die Leben schenkt. Um seinetwillen sind wir Menschen angehalten, die Würde jedes Menschen zu respektieren, zu schützen und zu bewahren." Kühnbaum-Schmidt äußert sich besorgt über die aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen: "In dieser Zeit teile ich mit so vielen Menschen weltweit die Sehnsucht nach guten Nachrichten, nach Zeichen des Friedens und der Versöhnung in unserem Land, auf der ganzen Welt - und besonders in Israel und Palästina."
Kühnbaum-Schmidt: Sich auf Gott besinnen
Die Landesbischöfin forderte angesichts weltweiter Krisen dazu auf, sich nicht von äußeren Umständen entmutigen zu lassen. Sie sei für alle Zeichen der Verbundenheit im Interesse eines friedlichen Zusammenlebens aller Menschen und aller Religionen dankbar. Der Generalsekretär des Ökumenischen Rats der Kirchen, Jerry Pillay, schreibt in seinem Grußwort, der Ramadan lenke die Aufmerksamkeit auch auf die unzähligen Menschen, "die unter dem Mangel an grundlegenden Lebensnotwendigkeiten sowie unter Ungerechtigkeit und Unterdrückung leiden". Er führte aus, Fastenperioden seien auch für Christinnen und Christen weltweit von wesentlicher Bedeutung.
Zum Beginn des Fastenmonats Ramadan haben auch die Evangelischen Landeskirchen in Baden und in Württemberg eine gemeinsame Grußbotschaft an die Musliminnen und Muslime im Südwesten gerichtet. In ihrem am Donnerstag in Stuttgart und Karlsruhe veröffentlichten Schreiben unterstreichen die badische Bischöfin Heike Springhart und der württembergische Bischof Ernst-Wilhelm Gohl die Verantwortung von Muslimen und Christen für die Welt. "Es ist nötiger und wichtiger denn je, dass wir gemeinsam für die Werte des friedlichen und respektvollen Zusammenlebens eintreten," heißt es in dem Gruß.
Weiter gemeinsam Schritte gehen
Am Mittwoch hatten bereits die leitenden Geistlichen der vor allem in Hessen beheimateten Landeskirchen dazu aufgerufen, zum Ramadan gemeinsam ein Zeichen der Solidarität zu senden. "Lassen Sie uns weiterhin gemeinsame Schritte gehen, um Demokratie und Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu stärken", heißt es in dem Grußwort an die muslimische Gemeinschaft der kurhessischen Bischöfin Beate Hofmann und der hessen-nassauischen Kirchenpräsidentin Christiane Tietz.
Der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Christian Stäblein, und der katholische Erzbischof Heiner Koch richten zum Beginn des Fastenmonats Ramadan Segenswünsche an muslimische Gemeinden und Einrichtungen. In einem am Mittwoch verbreiteten Grußwort rufen sie zu Mitgefühl, Nächstenliebe und Gemeinschaft auf und betonen die Bedeutung von Besinnung und Dialog. "In dieser von Krisen und Kriegen geprägten Zeit, in der gesellschaftliche Spaltungen, Hass und Hetze sowie Gewalt gegenüber Andersgläubigen und Andersdenkenden unser friedliches Zusammenleben gefährden, fühlen wir uns mit lhnen besonders verbunden", erklären beide Kirchenvertreter.
In Deutschland leben nach Angaben der Islamkonferenz etwa 5,5 Millionen Musliminnen und Muslime. Knapp drei Millionen von ihnen besitzen demnach die deutsche Staatsbürgerschaft. Der Anteil an der Gesamtbevölkerung beträgt etwa 6,6 Prozent. Mit deutlichem Abstand sind Muslime die zweitgrößte religiöse Bevölkerungsgruppe in Deutschland.
Das Fasten gehört wie das Glaubensbekenntnis, die täglichen Gebete, die Armensteuer und die Pilgerfahrt nach Mekka zu den fünf Säulen des Islam. Der Monat Ramadan, der neunte im islamischen Mondjahr, wandert durch das Kalenderjahr. Er beginnt und endet, wenn die Mondsichel nach Neumond erstmals wieder sichtbar ist. Der Beginn kann von Land zu Land unterschiedlich sein.
In Deutschland einigen sich die Islamverbände seit 2008 auf gemeinsame Daten. In Saudi-Arabien und vielen anderen arabischen Ländern wird auf die Sichtung der Mondsichel gewartet. Im Ramadan sind die Gläubigen aufgerufen, täglich von Beginn der Morgendämmerung bis Sonnenuntergang auf Essen, Trinken, Rauchen und Geschlechtsverkehr zu verzichten. Befreit vom Fasten sind Alte und Kranke, Kinder, Schwangere und Reisende sowie Soldaten im Krieg.
Der Ramadan ist auch der Monat der guten Taten und der Läuterung von Körper und Seele. Mitmenschlichkeit und Versöhnung stehen im Mittelpunkt, die Gläubigen entrichten die Armensteuer Zakat oder unterstützen Bedürftige. Höhepunkt ist im letzten Drittel des Fastenmonats die "Lailat al-Qadr", die "Nacht der Bestimmung", in der nach der Überlieferung dem Propheten Mohammed erstmals Verse des Korans offenbart wurden. Viele Muslime beten dann die ganze Nacht durch, da sie auf Vergebung ihrer Sünden hoffen.