Heute gibt es Apfelsaft. Mag ich jetzt grade eigentlich gar nicht, aber die angebrochene Flasche ist halt gestern bei der Besprechung übrig geblieben, und bevor der Inhalt schlecht wird, kriegt's halt der Pfarrer. Sonst wollte niemand den Saft haben.
Tja, wo andere wegen einem Wurstbrötchen fristlos gekündigt werden, werden kirchliche Mitarbeitende, vor allem aber Pfarrerinnen und Pfarrer, manchmal regelrecht zur Lebensmittelentsorgung missbraucht. Bei der Feier sind 50 Brötchen übrig geblieben? Na ja, lassen wir sie mal liegen, der Pfarrer kommt ja morgen, der wird die schon essen. Schließlich haben wir ihm auch noch die drei angefangenen Packungen Kaffeesahne dagelassen, der kann doch wirklich dankbar sein!
Manchmal ist es ja auch wirklich schön, solche Dinge zu bekommen. Manchmal sind auch richtig leckere Sachen dabei. Aber oft genug sind es Lebensmittel, die sowieso keiner mehr mag – und die dann in der Küche der Pfarrfamile landen. Mit einem gewissen Stolz berichten die Gemeindeglieder dann irgendwann, dass ihr Pfarrer oder ihre Pfarrerin in den zehn Jahren ihrer Tätigkeit in der Gemeinde doch deutlich zugenommen haben... Kein Wunder! Von den diversen Kuchen, Aufschnittplatten und russischen Spezialitäten mit viel fettem Fleisch war jetzt noch gar nicht die Rede, denn die fallen ja nur in Ausnahmefällen unter „Lebensmittelentsorgung“.
Es gibt aber eine Alternative dazu, alles dem Pfarrer oder der Pfarrerin mit nach Hause zu geben. Die funktioniert eigentlich ganz einfach: Wir lassen die Lebensmittel einfach so lange im Gemeindehaus stehen, bis sie von selbst schlecht geworden sind. Dann können wir sie, zwar mit Bedauern aber ohne schlechtes Gewissen, in den Biomüll schmeißen. Eine außerordentlich beliebte Methode, Dinge loszuwerden, die keiner mehr haben will. Man kann den „Schwarzen Peter“ perfekt weiterschieben. „Ich habe die Fischplatte doch extra im Kühlschrank gelassen, weil ich dachte, die nächste Gruppe soll auch noch was davon haben.“ - „Eine angefangene Fischplatte im Kühlschrank? Ich hab doch keine Ahnung, wie alt die schon ist und von wem sie ist, nein, da lass ich lieber die Finger davon!“ So gammelt sie vor sich hin, bis irgend jemand sich erbarmt und sie beherzt in den Müll schmeißt.
Besonders beliebt in unserem Jugendhaus war aber, sich eine Flasche Spezi oder Apfelschorle aus dem Kasten zu nehmen, einen Schluck zu trinken und die Flasche wieder zurückzustellen. Ich weiß bis heute nicht, wer das war, aber es kam ziemlich häufig vor. Natürlich trinkt niemand von einer angebrochenen Flasche, völlig klar. Der einzige, der sich darüber freute, war der Schimmel, der sich in aller Seelenruhe in dieser Flasche ausbreiten konnte. Es ist tatsächlich vorgekommen, dass Leute sich nichtsahnend eine Flasche Apfelschorle nahmen und dann beim letzten Schluck den Schimmel im Mund hatten...
Gibt es Alternativen? Klar gibt es die: Wer etwas mitgebracht hat, nimmt den Rest auch wieder mit nach Hause. Wer eine Flasche angebrochen hat und sie nicht austrinkt, schüttet den Rest weg oder nimmt sie mit nach Hause. In kirchlichen Räumen offene Lebensmittel stehen zu lassen, hat einfach keinen Sinn. Ist doch wirklich schade um die vielen guten Speisen und Getränke, die da vor sich hin gammeln.