Einfach singen

Einfach singen

Der Text könnte aus einem aktuellen Lied des weltberühmten Schlagersänger-Duos Wolfgang und Anneliese stammen. Welch eine wunderschöne heile Welt hier doch beschrieben wird: Licht und Dunkelheit – klar, unsere Welt besteht nicht nur aus Schönem, auch für die dunkle Seite muss Platz sein. Nächte und Tage, Jahre und Gezeiten. Und dann der Streifzug durch die ganze Mutter Natur: Wolken, Wind und Regen, die Felder reifen, Berge, Hügel, Wald und Täler, alles grünt und sprießt, die Bäume spenden Schatten, die Glucke führt ihr Völklein aus... ach nein, das war ein anderes Lied.

Wer mit diesem Lied einstmals im Konfirmandenunterricht oder sonstwo in der Jugendarbeit konfrontiert wurde, hat es vermutlich schon erkannt. Eines der Schreckgespenster vieler Mitarbeitenden in den Gemeinden, und doch nach wie vor ein Renner bei vielen, die noch nicht vom tausendfachen Gebrauch dieses Liedes „verdorben“ sind: Laudato si. Mit einem Text nach dem Sonnengesang des Franz von Assisi. Melodie: mündlich überliefert (man könnte auch sagen: Es wollte niemand für diese Melodie Verantwortung übernehmen.)

Eines muss man dem Song lassen: Selbst den Jungs, die entweder wirklich unmusikalisch sind oder denen es so lange eingeredet wurde, bis sie es selber glaubten, fällt es ziemlich leicht, diesen fast schon Sprechgesang auf wenigen Tönen rhythmisch halbwegs korrekt mitzubrummen. Die vier Gitarrenakkorde, mit denen der Song begleitet werden kann, gehören zu den einfachsten überhaupt – selbst für absolute Anfänger an der Gitarre ist dieses Lied kein großes Hindernis. Und für die musikalisch etwas anspruchsvolleren Konfirmandengruppen gibt es ja noch das absolute Highlight, mit dem sie sich qualitativ auf einer Höhe mit den Fischerchören und den Regensburger Domspatzen wähnen können: Quasi wie einen Kanon kann man dieses Lied zeitlich versetzt in zwei Gruppen schmettern. Während eine Gruppe den Refrain singt/brummt, versucht sich die andere Hälfte an den Strophen – und umgekehrt. Die Gitarrengriffe sind absolut identisch.

Spätestens nach der zehnten Konfirmandenfreizeit, die man so als Mitarbeiter begleitet hat, beginnt der Song aber, einem wirklich zum Hals rauszuhängen. Ganz ehrlich. Vor allem, wenn jedes Mal alle neun (NEUN!!!) Strophen gesungen werden. Am Anfang, zwischen den Strophen und nochmal ganz am Ende: Der Refrain. Laudato si o mi Signore. Macht insgesamt 19 Mal die Akkordfolge G – e – C – D7. Gut, dass am Schluss laut und deutlich ein Amen gesungen wird (auf G, liebe Gitarrenfreunde). Vermutlich wurde das extra eingeführt, um die mittlerweile in tiefster musikalischer Meditation versunkene Gitarrenbegleitung darauf aufmerksam zu machen, dass nun keine weitere Strophe mehr folgt und die immer wiederkehrende Akkordfolge an dieser Stelle abrupt zu beenden ist.

Manchen Mitarbeitenden bereitet dieses Lied wirklich geradezu Seelenqualen, ich weiß. Ich selber sehe das eher pragmatisch: Die Konfirmanden lieben es. Es macht ihnen Spaß. Und das möchte ich ihnen gerne vermitteln: Glauben und den Glauben auszudrücken – das ist etwas, was Spaß machen kann. Und etwas, das verbindet. So, wie ein einfach gestrickter Song, den jeder und jede mitgrölen kann. Da möchte ich nicht der Spielverderber sein, der nach anspruchsvolleren Melodien und Texten ruft. Da bin ich dabei. Überwinde meine innere Abneigung. Und erlebe dann manchmal auch ganz Neues: Eine Konfirmandengruppe vor einigen Jahren hat diesen Song – zweistimmig – mit solcher Begeisterung gesungen, dass ich am Ende der neun Strophen freiwillig sagte: „Und jetzt nochmal von vorn!“
 

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