Das Abendmahl: Nach wie vor in vielen evangelischen Gemeinden etwas Besonderes. Etwas Heiliges. Etwas, worauf man sich vorbereitet, was man mit Ernst und, ja, mit Hingabe feiert. Ja, so soll es auch sein: Was Jesus am Abend vor seinem Tod gestiftet hat, das sollte man schon ernst nehmen.
Darum gilt gerade in traditionsbewussten Gemeinden oft immer noch: Das Abendmahl gibt's erst nach der Konfirmation! Vielleicht, mit viel gutem Willen, noch so eine Art Übungs-Abendmahl während der Konfirmationszeit. Das wars dann aber auch schon. Schließlich hat auch Paulus schon davor gewarnt: „Wer unwürdig am Abendmahl teilnimmt, macht sich schuldig am Leib und am Blut des Herrn.“ (1. Korinther 11,17) Also bitteschön, wer noch nicht genug Verstand hat, um das alles zu begreifen, der bleibe bitte außen vor!
Nun aber mal ganz ehrlich: Verstehen Sie wirklich, was da beim Abendmahl geschieht? Und was ist mit Demenzkranken, mit geistig Behinderten? Dürfen die dann auch nicht zum Abendmahl gehen? Ganz schwierig wurde es, als ein kleiner Junge, der mit seiner Mutter zum Abendmahl gegangen war und keine Hostie bekam, dem Pfarrer hinterherlief und fragte: „Bin ich zu klein für Jesus?“
Abendmahl mit Kindern? Na, das wird ein Getöse werden. Wo bleibt da die Andacht? Das ist der eher praktische Einwand, den ich oft höre. Nun: In vielen Gemeinden ist das auch nicht gerade andächtig, wenn die, die schon dran waren oder noch darauf warten, sich in ihren Bänken leise unterhalten. Oder gar noch auf dem Weg zur Austeilung.
Unsere bayerische Landeskirche beschloss schon im Jahr 1979, dass Kinder zum Abendmahl zugelassen werden können – wenn denn der Kirchenvorstand es so beschlossen hat. Das ließ sich der Kirchenvorstand meiner ehemaligen Gochsheimer Kirchengemeinde nicht zweimal sagen: Seit über 30 Jahren ist Abendmahl mit Kindern hier nun ein fester und selbstverständlicher Bestandteil des Gemeindelebens. Und ich kann aus den knapp zehn Jahren, die ich hier Pfarrer war, sagen: Ich habe keine einzige Feier erlebt, in der Kinder irgendwie gestört hätten. Im Gegenteil: Die schönsten, intensivsten, andächtigsten Feiern: Das waren die im Familiengottesdienst.
Ostermontag, 11 Uhr. Seit Jahren der feste Termin für einen Familiengottesdienst mit Abendmahl. Weit über hundert Menschen sind gekommen. Viele auch sehr kleine Kinder, einige können noch nicht mal richtig laufen. Handpuppe Paul macht mit seiner Schwester Pauline die üblichen Späßchen. Staunt über die goldenen Abendmahlsgefäße. Fragt nach, was es damit auf sich hat. Und dann stehen alle gemeinsam auf. Gehen konzentriert und – für die Größe der Gruppe sehr leise – am Altar vorbei in den Chorraum der Kirche.
Dort sind Kissen und Decken am Boden ausgebreitet. In der Mitte steht ein Holzkreuz. Kerzen brennen. Mit bunten Tüchern ist die Mitte geschmückt. Leise, meditative Musik erklingt. Die Kinder und die Eltern hören die Einsetzungsworte. Sie spüren: Dies hier, dies ist etwas besonderes. Ein Moment, in dem uns Gott ganz nahe ist. Selbst die Allerkleinsten schauen mit großen Augen zu, wie jeder und jede eine Hostie bekommt. Erhalten selbst eine. Nippen vom Traubensaft. „Christi Leib, für dich gegeben; Christi Blut, für dich vergossen“ - ja, ich bin überzeugt: Sie spüren in diesem Moment, was das bedeutet. Vielleicht mehr als wir Erwachsenen, die die Dinge oft so kompliziert machen, alles dreimal bedenken, problematisieren und und und. Wie sagt Jesus? „Wer das Himmelreich nicht annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.“
Eine dichte, gespannte, andächtige Atmosphäre herrscht zwischen den eng gedrängt sitzenden Familien. Doch irgendwann ist es vorbei. Alle haben etwas bekommen, jedenfalls soweit wir das überblicken konnten. Ein Dankgebet zum Schluss. Und dann entlädt sich die Spannung: In einem fröhlichen Lied. „Unser Leben sei ein Fest: Jesu Geist in unserer Mitte, Jesu Werk in unseren Händen, Jesu Geist in unseren Werken. Unser Leben sei ein Fest an diesem Morgen und jeden Tag.“
Fröhlich und, ja, erlöst: So gehen alle aus diesem Gottesdienst. Viele bleiben noch zum Osterbrunch. Eine ältere Dame kocht kiloweise Nudeln – manche haben Soßen mitgebracht oder Nachtisch, andere Kuchen. So sitzt die Familiengottesdienst-Gemeinde noch eine Weile zusammen und feiert: Jesu Geist in unserer Mitte. Ich glaube, mehr gibt es beim Abendmahl nicht zu verstehen.