Das Unglück bei der Loveparade ist schrecklich, keine Frage. Ich möchte das an dieser Stelle auch gar nicht groß ausbreiten; dazu ist woanders schon genug geschrieben worden, auch auf evangelisch.de. Ich, der ich weit weg davon bin, kann sowieso nichts Substantielles dazu beitragen.
Andere dagegen meinten, genau das tun zu können. Darunter die schon vielfach gescholtene und umstrittene ehemalige Tagesschau-Moderatorin Eva Herman. In einem Beitrag auf der Website des auch nicht gerade besonders angesehenen Kopp-Verlags wetterte sie über „Sodom und Gomorrha“ - und meinte am Schluss: „Eventuell haben hier ja auch ganz andere Mächte mit eingegriffen, um dem schamlosen Treiben endlich ein Ende zu setzen.“ Ja, genau, Frau Herman! Das ist natürlich ein wunderbarer Gott, dem ich gerne vertraue: Einer, der einige Menschen straft, weil viele „sündigen“? Waren denn diese armen Menschen, die da totgetrampelt wurden, die allerschlimmsten? Haben genau die Gottes Strafe besonders verdient? Irgendwie passt das nicht, Frau Herman.
Ja, Gott wird im Alten Testament auch als der strafende, richtende Gott beschrieben. Da gibt es wirklich die Strafe über Sodom und Gomorrha. Da gibt es auch die Geschichte von Noah und der Sintflut. Aber selbst hier steht schon deutlich: So etwas, so ein Strafgericht Gottes, wird es nie wieder geben! Aus 1. Mose 8 und 9:
Und der HERR roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. (...)
Und Gott sagte zu Noah und seinen Söhnen mit ihm:
Siehe, ich richte mit euch einen Bund auf und mit euren Nachkommen und mit allem lebendigen Getier bei euch, an Vögeln, an Vieh und an allen Tieren des Feldes bei euch, von allem, was aus der Arche gegangen ist, was für Tiere es sind auf Erden. Und ich richte meinen Bund so mit euch auf, dass hinfort nicht mehr alles Fleisch verderbt werden soll durch die Wasser der Sintflut und hinfort keine Sintflut mehr kommen soll, die die Erde verderbe. Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich geschlossen habe zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier bei euch auf ewig:Meinen Bogen habe ich in die Wolken gesetzt; der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde. Und wenn es kommt, dass ich Wetterwolken über die Erde führe, so soll man meinen Bogen sehen in den Wolken. Alsdann will ich gedenken an meinen Bund zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier unter allem Fleisch, dass hinfort keine Sintflut mehr komme, die alles Fleisch verderbe.
Nein, liebe Frau Herman, so geht es also nicht. Bloß, weil Ihnen die Loveparade nicht gefällt, ist es noch lange kein strafender Gott, der da dazwischengefahren ist. Oder mit den Worten meines Blog-Kollegen Christian Spließ: „Ich weiß ja nicht, was Sie für einen Gott haben Frau Hermann, aber meiner ist der, der Mensch geworden ist - aus Liebe.“
Aber alles das wäre für mich noch nicht Grund genug, diesen seltsamen Beitrag von Frau Herman hier so breitzuwalzen. Nein, mir geht es um diese grundsätzliche Art, die eigene Meinung mit Gottes Willen gleichzusetzen. Ist ja auch ein unschlagbares Argument: Gott will das so (nicht)! Egal, ob Sex vor der Ehe, Homosexualität, die Loveparade oder die örtliche Umgehungsstraße: Gegen „Gott will das nicht!“ kommt man argumentativ einfach nicht an. Sehr praktisch und in jeder Diskussion gut zu gebrauchen.
Oder gibt es vielleicht doch ein Mittel dagegen? Manchmal würde ein Blick in die Bibel helfen. Ich möchte heute nicht auf diese ganze Themenpalette eingehen, die ich da aufgemacht habe – vielleicht ein andermal. Für heute ist mir wichtig, was ich in der Bibel erlebe: Dass Gott Recht und Gerechtigkeit fordert – das ist ein zentrales Thema der Propheten im Alten Testament. Jeder Mensch soll leben können, egal, welcher Herkunft. Jeder und jede soll das gleiche Recht erhalten, egal ob König oder Bettler. Jeder und jede soll Gottes und der Menschen Liebe und Zuwendung erfahren können. Und: In der Bibel haben die Menschen Spaß. Sie trinken und feiern (Hochzeit von Kana, sag ich nur!) Sie tun manche Dinge, die Frau Herman wohl als Sodom und Gomorrha bezeichnen würde – sie sind Menschen, und sie sind von Gott geliebt, auch wenn sie in ihrem Leben nicht perfekt sind.
Was ich daraus lese, ist: Gott will keine Unterdrückung. Keine Angst. Keinen Hass. Keine Strafe. Gott will Liebe. Aber auch keine unterdrückende, abhängig machende Liebe, sondern Liebe in Freiheit, in gegenseitigem Zugewendetsein.
Die moralischen Vorstellungen, die wir oft mit der Kirche verbinden und die dann für solche Argumentationen verwendet werden, die stammen übrigens zu einem nicht unerheblichen Teil nicht aus der Bibel. Eher aus der Zeit des Biedermeier – über die sollten wir doch schon lange hinweg sein, oder nicht?
Darum bin ich außerordentlich skeptisch, wenn jemand mit Gottes Willen argumentiert. Meistens steckt dahinter doch nur die eigene Meinung, schön religiös verbrämt. Da kann ich dann nur sagen:
Gott will das nicht.