Fastenzeit gibt Raum für existenzielle Fragen

Fastenaktion "Sieben Wochen Ohne": Fernsehgottesdienst
epd-bild/Nancy Heusel
Die evangelische Fastenaktion "7 Wochen ohne" unter dem Motto "Luft holen! Sieben Wochen ohne Panik" ist am Sonntag (09.03.2025) mit einem Fernsehgottesdienst aus der Kirche St. Martin in Nienburg/Weser eroeffnet worden. Pastorin Cordula Schmid-Waßmuth hielt die Predigt.
Gottesdienst: "Keine Panik!"
Fastenzeit gibt Raum für existenzielle Fragen
Die Fastenaktion der evangelischen Kirchen steht alljährlich unter einem anderen Motto. In diesem Jahr sind die Teilnehmenden aufgefordert, tief Luft zu holen gegen Panik. Auf diese Weise sollen sie Sorgen und Ängsten entgegenwirken.

Mach keine Alleingänge, zeig dich, hab ein großes Herz und sei großzügig: Es geht um Anstöße für mehr Achtsamkeit, um Menschlichkeit im Alltag - und zugleich um Kardinaltugenden und Todsünden. Bei "7 Wochen Ohne", der Fastenaktion der evangelischen Kirchen, rücken der Mensch und sein Tun im Mittelpunkt - und nicht zuletzt der Wunsch nach Veränderung. 

So stellten Teilnehmende in der Vergangenheit bereits ihren Ehrgeiz, ihre Ehrlichkeit, ihren Optimismus oder ihre Zuverlässigkeit auf den Prüfstand.
Unter dem Motto "Luft holen - Sieben Wochen ohne Panik" sind die Menschen in diesem Jahr zum Fasten eingeladen. Die Fastenaktion ist am Sonntag mit einem aus Nienburg an der Weser übertragenem ZDF-Fernsehgottesdienst offiziell eröffnet worden. Sie solle noch bis Ostermontag (21. April) Raum geben für die Beschäftigung mit existenziellen Fragen, sagt der hannoversche Landesbischof Ralf Meister als ihr Botschafter.

Sein persönlicher Bezug zu dem Thema gehe auf ein Zitat von Greta Thunberg zurück, sagte Meister, der im Gottesdienst die Predigt hielt. Sie hatte 2019 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos angesichts des Klimawandels unter anderem den Satz geäußert: "I want you to panic." Diese Aussage habe ihn ins Grübeln gebracht, wie Menschen auf Situationen reagieren könnten, verrät Meister.

Bei Panik gehe es darum, dass ein Mensch kein Bewusstsein mehr dafür habe, was um ihn herum geschieht, erläutert der Landesbischof. "Panik lässt kaum Handlungsoptionen." Jeder und jede könne das anhand eigener Erlebnisse nachvollziehen. "Panik hat auch mit Geschwindigkeit zu tun - einer Geschwindigkeit, bei der klar ist: Du hältst nicht mehr mit." Deswegen passe als Gegengewicht dazu sehr gut das Luft holen, sagt der Landesbischof. "Wer bewusst Luft holt, gibt seinen Gedanken Raum und Zeit, sich zu formen."
Mit der Fastenaktion solle ein bewusstes Gegengewicht zu "atemlosen Zeiten" gesetzt werden. Es solle Zeit sein, innezuhalten und den Blick auf den Alltag vielleicht sogar dauerhaft zu verändern. Für jede der sieben Wochen bis Ostern gibt es ein Untermotto mit zugeordneten Bibelstellen. So startet die Aktion in der ersten Woche mit dem Thema "Fenster auf". In der der zweiten Woche folgt das Motto "Seufzen". Danach reihen sich "Singen", "Frischer Wind", "Dicke Luft", "Ruhe finden" und "Osterwunderluft" aneinander.

Motto trifft Nerv der Zeit

Schon früh in der Planung habe das Themen-Kuratorium den Eindruck gehabt, dass sich viele Menschen danach sehnten, angesichts vieler Krisen einmal durchatmen zu können und nicht panisch zu werden, erläutert die Theologische Direktorin des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik (GEP), Stefanie Schardien. Sie war für 2025 erstmals in dem Gremium an der Schwerpunktfindung beteiligt. "Dass 'Luft holen' nun kurz nach dem vorgezogenen harten Wahlkampf und nach den neuen weltpolitischen Entwicklungen so sehr das Gefühl treffen würde, hatten wir natürlich nicht geahnt."

Im Begleitheft zur Fastenaktion schreibt die Pfarrerin der Nienburger Kirchengemeinde St. Martin, Cordula Schmid-Wassmuth, viele Menschen machten sich zu schnell zu viele Sorgen. "Damit tun wir uns und unserer Umgebung keinen Gefallen", schreibt die Theologin, in deren Kirche der TV-Eröffnungsgottesdienst zu "7 Wochen Ohne" gefeiert wurde. Die Menschen müssten sich Zeit nehmen und mehr auf das schauen, "was Gutes da ist, was uns hilft und hält, auf unsere Ressourcen".

Genau dafür sei die Fastenzeit wertvoll, unterstreicht Bischof Meister. Sie sei keine spontane Erfahrung, sondern dauere 40 Tage. Positive Erfahrungen, die in einer solchen Zeitspanne gemacht würden, hätten eine gute Chance, die Menschen auch über die Fastenzeit hinaus zu begleiten. Wer lerne, zu sagen: "Atme erst mal durch", mache das später selbstverständlich. "Vieles, was uns unzufrieden macht oder worüber wir uns ärgern, entsteht nach meiner Ansicht daraus, dass wir uns nicht mehr die Zeit nehmen, um durchzuatmen und nicht mehr die Zeit finden, um nachzudenken."

Die Fastenaktion "7 Wochen ohne" wurde 1983 gegründet. Mit ihr läutet die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) offiziell die Fasten- oder Passionszeit ein. In den 40 Tagen bis Ostern erinnern sich Christen an das Leiden und Sterben Jesu. Der Verzicht auf Speisen und Getränke wie Fleisch und Wein oder auch auf den Fernsehkonsum gilt als Symbol der Buße und der spirituellen Erneuerung. In den sieben Wochen vor dem Osterfest nehmen sich viele Christinnen und Christen zudem mehr Zeit für Ruhe, Besinnung und Gebet.