Neue Regeln für Missbrauchsbetroffene

Betrübte Frau spiegelt sich in Scheibe
Marjan Apostolovic/iStockphotos/Getty Images
Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat eine Reform der Anerkennungsleistungen für erlittenes Leid und dessen Folgen beschlossen.
EKD ändert Anerkennungsleistung
Neue Regeln für Missbrauchsbetroffene
Betroffene sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und der Diakonie mussten lange Geduld haben: Doch nun hat der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Freitag eine Reform der Anerkennungsleistungen für erlittenes Leid und dessen Folgen beschlossen.

Menschen, die sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche und der Diakonie erlitten haben, sollen künftig einheitliche Anerkennungsleistungen erhalten. Eine dafür notwendige Richtlinie hat der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Freitag einstimmig beschlossen, wie die EKD in Hannover mitteilt. Vertreter der Betroffenen bezeichneten die Einigung als "Durchbruch".

Bis zum 1. Januar 2026 soll die Richtlinie in allen 20 Landeskirchen und 17 diakonischen Landesverbänden umgesetzt werden. Kernstück der Reform ist ein einheitliches Modell für die finanziellen Leistungen. Demnach setzt sich die Entschädigung aus einer pauschalen Summe in Höhe von 15.000 Euro, wenn es sich um eine nach heutigen Maßstäben strafrechtlich relevante Tat handelt, und einer individuellen Leistung zusammen. Damit wolle die Kirche individuelles Leid und Spätfolgen anerkennen. Es soll keine Obergrenze für die Zahlungen geben.

Unabhängige Anerkennungskommissionen, in denen mindestens ein Richter oder eine Richterin sowie eine Person mit traumatherapeutischer Qualifikation sitzen sollen, sollen anhand eines Kriterienkatalogs über die Leistungshöhe entscheiden. Betroffene können zudem entscheiden, ob sie sich die Leistung als Einmalzahlung oder in mehreren Teilzahlungen beziehen. Einen Rechtsanspruch gibt es nicht. Betroffene erhalten zudem das Recht auf ein Gespräch vor der Kommission.

Bisher gebe es in Deutschland keine so weitgehende Anerkennung des erlittenen Leids und der Traumaspätfolgen durch sexualisierte Gewalt, betont der Sprecher der Betroffenen im Beteiligungsforum sexualisierte Gewalt in EKD und Diakonie, Detlev Zander. Die neue Richtlinie sei das Ergebnis "intensiver Verhandlungen". Seit gut zwei Jahren hatten das Beteiligungsforum, in dem alle Fragen zum Thema sexualisierter Gewalt beraten werden, die Landeskirchen und die Diakonie über einheitliche Standards bei den Anerkennungsleistungen verhandelt.

Die Ratsvorsitzende der EKD, Kirsten Fehrs, sagt, mit der neuen Richtlinie lege man die Grundlage, um endlich den "nicht hinnehmbaren Zustand zu beenden", dass Anerkennungsverfahren für ähnliche Taten in verschiedenen Landeskirchen zu verschiedenen Ergebnissen führen. Der Präsident der Diakonie Deutschland, Rüdiger Schuch, sagt, es komme nun darauf an, die in der Richtlinie vereinbarten Standards bis Januar überall umzusetzen. Erst sollte die Richtlinie bereits Ende vergangenen Jahres fertig sein, doch dann wurde sie noch in ein sogenanntes Stellungnahmeverfahren bei den Landeskirchen und Diakonie-Landesverbänden gegeben.

Bislang sind die Anerkennungsleistungen EKD-weit unterschiedlich geregelt. Seit 2012 sind nach Angaben der EKD vom Januar rund 14,5 Millionen Euro (Stand: 31. Dezember 2023) von den Landeskirchen an materiellen Leistungen für Missbrauchsbetroffene aus dem kirchlichen Kontext gezahlt worden. Die Landeskirchen und Diakonie-Landesverbände müssen die Richtlinie nun noch selbst beschließen und umsetzen. Zeit braucht auch die Bildung der unabhängigen Anerkennungskommissionen.