Oh Mann, wie konnte Jesus eigentlich gegen alle heutigen Hygiene-Vorschriften das Abendmahl einsetzen und seine Jünger aus einem Becher trinken lassen? Wusste er nichts von Tröpcheninfektionen, Herpes, Schweinegrippe oder Pest? Nein, wusste er wohl nicht. „Trinket alle daraus“, so ist seine Anweisung beim ersten Abendmahl überliefert. Und bis heute halten sich die meisten christlichen Gemeinden auf der ganzen Welt daran. Welche verschiedenen Abendmahlsstile sich daraus entwickelt haben, davon werde ich in loser Folge hier im Blog erzählen. Heute sind aus aktuellem schweinegrippalem Anlass die „Tunker“ dran. Wer will und gerne mit unnötigen Fremdwörtern angibt, kann sich auch die lateinische Bezeichnung „intinctio“, wörtlich „Eintunkung“, merken.
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Eigentlich eine ganz einfache Sache: Es geht ja darum, Brot – oder Oblate – und Wein – oder Traubensaft – zu sich zu nehmen. Wer dazu nicht aus dem gemeinsamen Kelch trinken will, stippt halt sein Brot in den Wein bzw. Saft und nimmt dadurch beides gleichzeitig zu sich. Schöne Sache – mit einigen Haken.
Erstens: Man muss, wenn man's nicht gewohnt ist, wirklich aufpassen, das Brot nicht gleich in den Mund zu stecken. Das erfordert eine gewisse geistige Konzentration in einem oft als bewegend empfundenen Moment. Soll durchaus schon vorgekommen sein, dass Leute kauend nochmal ein Stück Brot verlangten... Auch gerne genommen wird die Variante, dass das Brot in der Zwischenzeit auf den Boden fällt und auf einmal hektische Sucherei beginnt. Am liebsten natürlich direkt neben dem Lüftungsschacht, aus dem es sowieso schon so komisch riecht...
Zweitens: Je nach Brotsorte ist das auch nicht so sehr schön, wenn dann auf einmal Brösel im Kelch schwimmen. Oder gar das ganze Brotstück oder die Oblate. In Kirchen mit richtig alten Abendmahlsgeräten gibt es zwar oft auch noch schön gestaltete Sieblöffel, um solche Reste herauszufischen. Besonders ästhetisch sieht das aber nicht aus, wenn die Mesnerin am Altar im Kelch angelt. Und dem allgemeinen Hygieneempfinden ist es auch nicht gerade dienlich. Also bitte: Nochmal konzentrieren und bröselfrei tunken.
Drittens: Je nach „Füllstand“ kann das Tunken in einem möglicherweise recht engen Kelch wirklich schwierig werden. Natürlich wird normalerweise immer wieder nachgefüllt – aber manchmal ist der Wein schon fast bis zur Neige ausgetrunken vor der nächsten Reinigungsrunde. Am sichersten ist es, man stellt sich da hin, wo die Austeilung beginnt. Da ist meistens doch noch recht viel im Kelch drin.
Viertens: Aus Sicht der Austeilenden kommt der Wunsch nach Eintunken manchmal recht überraschend. Mir als Pfarrer sind die am liebsten, die ihre Oblate ganz offen in der Hand halten. Da kann ich mich rechtzeitig drauf einstellen. Manche verstecken sie regelrecht, am besten hinterm Rücken. Erst, wenn der Kelch sich schon deutlich dem Mund nähert, kommt auf einmal von irgendwoher eine Hand, die verzweifelt versucht, mit der festgehaltenen Oblate noch den Kelch zu treffen. Natürlich, während ich gerade den Teil meines Sprüchleins aufsage, in dem es heißt „nimm hin und trink“, was in diesem Fall ja dann auch nicht wirklich stimmt. Muss für außenstehende Beobachter reichlich komisch wirken, diese Situation, kommt aber mindestens bei jeder zweiten Abendmahlsfeier einmal vor.
Theologisch wird manchmal tatsächlich diskutiert, ob diese „Intinctio“ überhaupt ein „gültiges“ Abendmahl ist. Schließlich hatte Jesus ja gesagt: Trinkt alle daraus. Ich glaube: Gott hat ein weites Herz. Wer sonst mit Ekel vor dem Kelch zurückschreckt oder wer andere nicht anstecken will – warum sollte er oder sie nicht trotzdem am Abendmahl teilnehmen können? Mal ganz abgesehen davon, dass auch in der evangelischen Kirche die Überzeugung vorherrscht, dass es vollkommen ausreichend ist, Brot ODER Wein zu sich zu nehmen. Wichtig ist doch nur, Gottes Nähe zu spüren. Ohne Ekel und Ansteckungsangst, sondern dankbar und fröhlich. Darum: Nehmt hin und tunket alle daraus. Amen.