Ein Lob auf die Überforderung

Ein Lob auf die Überforderung
Längst fällige Anerkennung für einen ungeliebten Gast.

Ich singe heute ein Lob auf die Überforderung, auch wenn das völlig absurd klingt.

 

Und ich meine nicht das Überfordertsein, das krank macht, 

dafür brauchst Du besondere Hilfe. Hol sie Dir bitte.

Ich meine das kleine alltägliche Überfordertsein 

mit dem dies und das,

mit Dir, der Welt, den Anderen,

mit einem Schnürsenkel, 

einer Bedienungsanleitung,

dem Grinsen des Kollegen,

dem Pensum für heute,

einem Formular,

dem überfälligen Gespräch,

den Nachrichten, 

dem Allein-, oder Zusammensein

oder einer Öffnungslasche.

 

Ich meine das alltägliche Überfordertsein,

das unscheinbar ist

und wo man denken könnte, das müsste man doch schaffen können,

aber für Dich ist es gerade eine große Sache.

Manchmal weißt Du gar nicht wieso.

Und es hält Dich auf.

Du solltest nicht überfordert sein

bist es aber.

 

Und das darfst Du.

Du darfst überfordert sein und es auch sagen. 

 

Überforderung macht das Leben nicht unbedingt schöner,

sie macht schwindelig

und manchmal still,

manchmal tränenreich,

manchmal müde,

manchmal musst du die Backen aufblasen und tief Luft holen

und sie mit den Lippen bremsen beim Ausatmen.

Manchmal weißt du gerade nicht, was zu tun ist.

 

Damit bist Du nicht alleine.

Links und rechts von Dir struggeln nämlich solide aussehende Leute

mit der Textnachricht von eben oder dem Plan für morgen.

 

Ich will dennoch ein Lob singen auf die Überforderung,

die Dir die Grenze zeigt.

 

Ist sie nicht auch ein Aufruf zu einem Boxenstopp?

Für die Suche nach neuen Belägen für die Reifen des Tages?

Ein Ausschauen nach anderen Ressourcen, die Dich leben lassen?

Oder nach einem besseren Ziel?

Manchmal ist die Überforderung auch wie ein Geistesblitz. 

 

Überforderung ist eine Sprache Deines Körpers. 

 

Denk mal, 

wie Du es schaffst, auf einem Bein stehend 

eins nach dem andern zu machen, 

weil alles gleichzeitig gerade nicht geht.

 

Wie du - wo Du nicht weiterkommst - anhältst, 

um nicht weiter gegen Wände zu rennen,

und wie Du Deinen erschöpften Körper hörst. 

 

Denk mal, wie Du Prioritäten änderst und um Hilfe bittest.

 

Überforderung ist wie das Hindernissymbol in Deiner Fahrtleitanzeige, 

das Dich auffordert zu bremsen. 

 

Und, ja, es ist einfach ein riesen Kackmist, überfordert zu sein

und ich will Dir sagen, dass es zum Staunen ist, wie Du da durchkommst.

 

Mir zeigst Du damit, wie ich Dich besser lieben kann.

Mich erinnerst Du damit an meine eigenen Grenzen. 

 

Überforderung macht etwas sichtbar. 

Sie zündelt an Deiner Duldsamkeit.

Sie rüttelt am Sieb Deiner Wichtigkeiten.

Sie strapaziert Deine Sicht der Notwendigkeiten.

Sie justiert die Koordinaten Deiner Zufriedenheit. 

 

Und ich höre schon die Stimmen, die sagen, schreib das nicht auf, das könnte jemanden triggern und sie meinen nicht triggern, sondern erinnern und ich sehe die anderen, die schon ganz still geworden sind mit ihrer Überforderung und sich kaum trauen, sie zu benennen, was man ja auch nicht immer muss, aber manchmal will, und ich sehe die Dritten, die jegliche Überforderung zu Pille Palle erklären und nie zugeben würden, wie sehr sie genau die Überforderung überfordert. 

 

Und ich möchte dennoch

mindestens meiner Überforderung hier ein Lied singen.

Das war längst fällig.

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