Patin und Pate sein

Patin und Pate sein
Bei der Taufe und danach vertreten Pat*innen christliches Menschenbild im Leben eines getauften Menschen - wie kann sowas aussehen?

Ich bin da - Pate oder Patin sein

Nico ist gefragt worden, ob er Tauf-Pate sein will für die kleine Eva-Maria, frisch geboren - noch bauchwarm gewissermaßen. Nico ist 16. Eva-Marias Mama findet er gut. Wenn’s nicht läuft zuhaus, dann geht er zu ihr: „Ich geh eben zu Manuela.“ Sie wohnt nebenan. Eigentlich ist sie seine Patin, so eine für die Seele – könnte man sagen. Er hat sie sich gesucht. Dass sie ihn fragt für dies Amt, das ist eine kleine Ehre und macht ihn stärker.  

Frau Schneider-Lützgendorf würde gern auch Tauf-Patin werden für Eva-Maria, ihre Enkelin. Dann könnte sie ihr erzählen. Von ihrem Mann Eduard z.B. – der ist letztes Jahr gestorben. Oder sie würde mit ihr fernsehen. Und vorlesen. Früher hat ihre eigene Mutter das auch getan und sogar mit ihr gebetet. Das soll man als Patin tun. Hat sie gehört. 

Daß einer mitgeht im Leben, den Arm hell um meine Schulter legt, lächelt, wenn ich verbissen dasitze, bremst, wenn ich rase und ‚weiter’ sagt, wenn ich keine Lust mehr habe, das wünsch ich mir. 

Eva-Maria wird’s brauchen. Wenn  sie 9 ist, wird man einen Kopftumor entdecken, gutartig, aber so dick, dass operiert werden muss. Es ist eine gefährliche Stelle, da kann Entscheidendes kaputt gehen. Das werden anstrengende Wochen werden. Dann steht auch die Frage im Raum, welcher Gott das war, dem sie das Kind anvertraut haben. Ob Tumore von ihm kommen. 

Nico wird in der Zeit zur Hochform auflaufen. Er hat sich ja eigens für die Patenschaft taufen lassen. Er wird grad fertig werden mit seinem Ingenieur-Studium und mitten im Examen am Bett sitzen, eine Hand auf Eva-Maria’s Hand, eine im Buch. 

Dabei war er in den Jahren davor nicht so häufig da; gut - zu den Geburtstagen immer, aber dazwischen nur wenige Besuche und 4 mal mit ihr im Weihnachtsmärchen.

Gespräche über den Glauben? Kaum. Nur wenn Eva-Maria fragt. Ob der Weihnachtsmann auch von Gott kommt wie Jesus z.B. Aber was soll man da sagen? Eher ‚nein’.

Nico hat keine Antworten auf die Frage, wo Gott ist, wenn in Eva-Maria ein Tumor wuchert. Er ist eher Techniker und vertraut auf die gut ausgebildeten Mediziner. Aber er sitzt da und ist bei dem Kind. Und wenn die Eltern kommen, dann finden sie manchmal einen schlafenden Nico, den Kopf auf dem Bettrand. 

Das sind besondere Tage und Wochen.

 

Pate sein ist eigentlich nichts besonderes. 

Wer es wird, soll da sein.

Da sein heißt für manche: Jede Woche ein Gruß oder jeden Monat. 

Anderen ist das viel zu viel. Die schaffen den Geburtstag zu erinnern und kommen nur jährlich. 

Wer ein Patenamt eingeht, muss bis zur Konfirmation durchhalten, das sollte klar sein. 

Dann entscheidet sich ein Kind selbst und ist verantwortlich für den eigenen Glauben. Vorher braucht es Stütze. In der Konfirmation sagt es selbst ja zu Gott.

Was dann weitergeht zwischen Paten, Patin und Patenkind, das entscheiden die beiden für sich. In der katholischen Kirche gilt die Patenschaft sogar lebenslang.

 

Nico wird mit Eva-Maria nach der gelungenen Operation öfter reden. Weil sie z.B.  fragt:

„Wenn ich nun gestorben wäre, was hättest Du gemacht?“ 

Nico: „Ich hätte ganz schön doll geweint.“ Eva-Maria horcht in sich hinein. Das hat sie nicht erwartet. Nico ist schon groß. Große weinen also auch. Aha. Und scheinbar mag er mich.

Ein andermal fragt sie: „Wohin wär ich denn gekommen nach dem Tod?“ 

Nico: „In die Erde in einem Sarg.“

Schweigen. 

„Nein, ich meine -  ich meine so überhaupt. Man ist doch nicht ganz weg dann, oder?“

Nico ringt sich zu einer Vision durch: „Na, ich glaub schon, dass man irgendwohin kommt, wo es total hell ist.“

„Ist das dann Gott?“

Nico zuckt die Achseln und redet doch merkwürdig klar: „Ja, bei Gott ist es hell.“.

Eva-Maria hat nie gefragt, ob der Tumor von Gott kommt. Glück für Nico. Er hat sich schon mal überlegt, was er sagen würde, wenn sie das fragt. Ohne  Erfolg. 

 

Wie Nico wird ein guter Pate, eine gute Patin immer sagen, was ist. Man muss nicht alles glauben, was die Kirche glaubt. Aber eine Antwort aus der Mitte des Herzens wird schon mal erwartet, und da zählt bei Kindern kein Ausweichen. Das merken sie. 

Wer solch ein Amt übernimmt, ist also gefragt die Herzseite zu zeigen. Was man selbst im Leben glaubt und wovon man nicht läßt. 

 

Frau Schneider-Lützgendorf ist nicht Patin geworden. Aber sie hat in Eva-Marias  schwerer Zeit 517 Kerzen angezündet, für jede Lebenswoche eine, hat sich mit dem Taxi überall rumfahren lassen zu den Kirchen, in denen das ging. Katholisch, evangelisch, egal. Kerzen anzünden. Für die Kleine, für Nico, für die Eltern, für sich. 

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