Gay Sunday auf dem Münchner Oktoberfest

Wolfgang Schürger
Der Vorstand des Münchner Löwenclubs (MLC) zusammen mit dem Bavarian Mister Leather bei der Eröffnung des Oktoberfesttreffens 2024. Von links: Benjamin Anderle, Martin Korinth, Stephan Platek und Curtis Puckett.
Vielfalt, Fetisch, Oktoberfest
Gay Sunday auf dem Münchner Oktoberfest
Die Botschaften beim Gay Sunday auf dem Münchner Oktoberfest sind sehr politisch.

"Es geht heute und hier nicht nur ums Feiern, es geht auch darum, dass wir gemeinsam für Vielfalt einstehen!", Curtis Puckett, Vorstandsmitglied des Münchner Löwenclubs, fand bei seiner Begrüßung im dicht gefüllten Zelt der Bräurosl deutliche Worte angesichts der veränderten politischen Stimmungslage.

Rund 8.500 Menschen fasst die Bräurosl, eines der größten Zelte auf dem Münchner Oktoberfest. Am ersten Wiesn-Sonntag ist das Zelt fest in der Hand der queeren Community. Der Münchner Löwenclub, ein schwuler Leder- und Fetischverein, hatte bereits zum 45. Mal zu seinem Oktoberfesttreffen eingeladen. Der Verein und seine Gäste belegen dabei zwar "nur" einen der beiden Balkone mit rund 1.000 Plätzen, doch in der Community hat der Tag seinen festen Platz, sodass auch das restliche Zelt überwiegend von Queers besucht ist.

Die Gründungsväter des Vereins wissen dabei zu berichten, dass eine der größten queeren Veranstaltungen Münchens ursprünglich mit einer Verwechslung begonnen hat: Weil es in den 1970er Jahren nicht möglich gewesen wäre, einen Verein mit eindeutig schwulem Titel in das Vereinsregister einzutragen, hatten sich die Gründungsmitglieder auf den Titel "Münchner Löwenclub" (MLC) verständigt. Als "Löwen" werden in München aber auch der TSV 1860 und seine Fans bezeichnet. Als der Verein sich dann zum ersten Mal für eine Reservierung bewarb, rechnete die Wirtsfamilie wohl mit einer Gruppe Fußballfans - und war durchaus überrascht, als lauter Ledermänner erschienen.

Bald jedoch hatte sich eine gute Beziehung zwischen der Wirtsfamilie Heide und dem Verein entwickelt. Karolin Weidner, die seit den 1990er Jahren mehr als zwei Jahrzehnte die Namensgeberin des Zeltes, die Bräurosl, verkörperte, betonte dies in ihrem bewegenden Grußwort zum Gay Sunday: "A bisserl Leder braucht a jeder", das sei über die Jahre das Motto geworden, dass alle verbindet. Auch die aktuellen Wirtsleute, Franziska Kohlpaintner und Peter Reichert, stehen fest an der Seite der queeren Community. "Dieses Zelt ist ein Ort für Vielfalt und Toleranz", betonte Peter Reichert, während an der Bühne die Regenbogenflagge gehisst wurde.

Wie wichtig es ist, sich nicht durch veränderte gesellschaftliche Stimmungen und Wahlergebnisse einschüchtern zu lassen, hatte bereits am Willkommensabend für die Gäste des Oktoberfesttreffens Martin Korinth, ebenfalls Vorstandsmitglied des MLC, betont: "Dieses Wochenende sind wir sichtbar, dieses Wochenende sind wir viele - da kann man in der Masse mit schwimmen. Aber es ist wichtig, sichtbar zu bleiben, auch wenn man im Alltag einer unter vielen anderen ist. Wir als Verein werden alles dafür tun, damit in dieser Gesellschaft Minderheiten weiterhin sichtbar bleiben können!"

Damit dies gelingt, ist es wichtig, dass andere außerhalb der Community aktive Zeichen für Vielfalt und Toleranz setzen - sei es als Wiesnwirte oder als Politiker:innen. Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter zeigte auf dem Bräurosl-Balkon keinerlei Berührungsängste und lies sich geduldig von Selfie zu Selfie bitten. "München", sagte er dann auf der großen Bühne des Zeltes, "ist die Stadt, in der die Welt zu Gast ist - in diesem Jahr sogar drei Mal: zur Europameisterschaft, zum Adele-Konzert und jetzt zur Wiesn. Die Welt ist bunt, die Welt ist vielfältig - als Oberbürgermeister stehe ich für diese Vielfalt ein. Nur so sind wir als Stadt gute Gastgeberin."

Ein wahrlich politischer Gay Sunday!

weitere Blogs

Von Zeit zu Zeit die Welt beobachten - diesmal: schlafende Wale.
KInd am Weihnachtsbaum
Der autoritäre und eigentlich abgewählte Präsident Venezuelas, Nicolás Maduro, verlegt mal eben den Weihnachtstermin
Dame sitzt im Buch
Gehören die Geschöpfe in Büchern eigentlich auch zur Schöpfung?
Und wenn ja: wohin gehen sie dann, wenn sich ihre Buchdeckel für immer schließen und niemand mehr sie durch Lesen hier gefangen hält?