Flagge zeigen für gelebte Vielfalt

Collage: Pride-Flags über einem Foto des Münchner Marienplatzes während des Gay Pride.
Wolfgang Schürger
Pride-Flags beim CSD
Flagge zeigen für gelebte Vielfalt
Mehr als 30 verschiedene Flaggen könnten in diesen Wochen auf manchen Pride-Paraden zu sehen sein. Ausdruck lebendiger Vielfalt, aber auch Mahnung, Diskriminierung innerhalb der queeren Community zu beenden, meint Wolfgang Schürger.

Rechtzeitig zum Beginn der Pride-Saison erschien in der Süddeutschen Zeitung am 23. Juni 2023 ein Beitrag über die verschiedenen Pride-Flaggen und ihre Bedeutung. Nicht weniger als 36 Flaggen werden dort erklärt

Eigentlich dachte ich immer, dass ich mich in der queeren Flaggen-Landschaft ganz gut auskenne, aber ich gestehe, von dieser Vielfalt war ich überfordert! Meine erste Reaktion: "Da ist mal wieder der Individualismus mit der Community durchgegangen" - und das, obwohl doch im letzten Jahr gerade erst das Motto des Münchner CSDs lautete: "Mehr Wir statt Ich".

Bei genauerem Hineinlesen hatte ich dann aber doch den Eindruck, dass zumindest viele der Flaggen eine Entwicklung in der Community zum Ausdruck bringen, die sogar einer queer-theologischen Reflexion in diesem Blog wert ist:

Die Flagge links oben im Beitragsbild ist die "klassische" Pride-Flag, die Gilbert Baker 1978 in San Francisco im Auftrag von Harvey Milk entworfen hat. Ursprünglich hatte sie noch zwei weitere Farben: Pink und Türkis. Pink konnte jedoch nicht als Massenfarbe auf Fahnen gedruckt werden, und als die Fahne immer bekannter wurde, wurde Türkis gestrichen, damit sie eine gerade Anzahl an Streifen hatte. Jede Farbe hat eine Bedeutung: Pink stand für Sexualität, Rot für das Leben, Orange für Heilung, Gelb für die Sonne, Grün für die Natur, Türkis für die Kunst, Blau für Harmonie und Lila für Spiritualität.

Auch die Flagge links unten ist vielen vielleicht bekannt. Es handelt sich um die Flagge der Bären-Community. Craig Byrnes hat sie 1995 in Washington D.C. kreiert, die verschiedenen Brauntöne sollen die Fellfarben verschiedener Wildtiere zum Ausdruck bringen.

Die Farben Braun und Schwarz tauchen auch in der Progress Pride Flag rechts oben wieder auf, allerdings haben sie dort eine ganz andere Bedeutung. Die Flagge stammt von Daniel Quasar. Daniel hat sie im Jahr 2017 entworfen. Sie enthält ergänzend zur klassischen Pride-Flagge auf der linken Seite einen Keil mit Streifen in hellblau, rosa und weiß sowie braun und schwarz. Hellblau, Rosa und Weiß stehen für die Trans* Community, Braun und Schwarz für die BIPOC Community. Der Keil soll symbolisieren, dass noch einiges an Fortschritt (engl. progress) vor uns liegt, wenn es darum geht, trans* Menschen, Schwarze und andere Personen of Color in die Community zu integrieren.

In der Mitte steht die Lesbian Flag, die seit 1999 existiert. ihre Streifen in Orange-, Pink- und Rose-Tönen stehen für non-konformes Gender, Unabhängigkeit, Gemeinschaft, Weiblichkeit, Ernsthaftigkeit, Frieden und Liebe.

Die Lesbian Flag erinnert mich daran, wie schwierig der Weg zu einer vielfältigen, queeren Community war (und mitunter noch ist): Als ich Anfang der 1990er Jahre begann, mich in der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) zu engagieren, da gab es kaum eine Frau, die dort aktiv war. In der Nürnberger Regionalgruppe ließen sich zwei Frauen gleichwohl nicht von der Mitarbeit abschrecken, was bei Bundeskongressen durchaus zu der ein oder anderen Verunsicherung führte: "wir" Schwule waren jetzt ja nicht mehr unter uns...

In den meisten Städten war auch die Szene strikt unterteilt - auch hier in München. Das änderte sich, nachdem München den Zuschlag für die Eurogames 2004 erhalten hatte. Da die Vorbereitung größtenteils ehrenamtlich geschehen musste, fanden die unterschiedlichen Szene-Gruppen zusammen, um diese großartigen Spiele vorzubereiten. Gemeinsames Arbeiten und gemeinsames Feiern überwindet Vorurteile und Grenzen - von diesem Geist der Gemeinsamkeit ist der Münchner CSD bis heute geprägt.

Die Progress Pride Flag ist für mich daher ein guter Ausdruck dieser Vielfalt, zugleich aber auch Mahnung, dass wir noch lange nicht die "perfekte" Community sind: People of Color, aber auch Menschen mit Behinderung oder im fortgeschrittenen Alter gehören an vielen Orten immer noch nicht selbstverständlich dazu. Ich finde, hier muss die queere "Mehrheit" aufpassen, dass sie nicht queere "Minderheiten" ausgrenzt. Die Progress Pride Flag erinnert uns daran!

Eine weitere Flagge findet sich noch auf dem Bild: Rechts unten steht die Straight Ally Flag. Das Regenbogen-A vor schwarz-weißen Streifen tauchte Anfang der 2000er Jahre auf immer mehr Pride-Paraden auf und steht für heterosexuelle Menschen, die sich mit der queeren Community solidarisieren. Auch diese Flagge steht also dafür, dass ehemals starre Grenzen der Vergangenheit angehören und eine große, bunte Community bei den Pride-Paraden für die Vielfalt der Lebensmöglichkeiten auf die Straßen geht.

Weblinks:

Flaggenlexikon - CSD Deutschland

Pride Flags | Queer Lexikon

The Straight Ally Pride Flag - SexualDiversity.Org

Pride » FlagColorCodes.com

Lesbian Pride flag color codes

weitere Blogs

In einer Kirche hängt links neben dem Altar ein Schild mit der dreisprachigen Aufschrift No pasar - Überholverbot - no passing
In Spanien gibt es ein Überholverbot am Altar.
G*tt ist Körper geworden. Was für eine Gedanke! Birgit Mattausch geht ihm nach.
Wenn man beim Krippenspiel improvisieren muss, kann man bisweilen mit ganz elementaren Fragen konfrontiert werden...