"Liebe tut der Seele gut." Mittendrin im Demonstrationszug, der am vergangenen Samstag in Berlin vom Alexanderplatz zur Siegessäule führte, das Banner der EKBO - der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (Bild via Twitter) Zu den vielen Rednerinnen des Tages gehörte auch Berlins Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein, die sich gegen Rassismus, Hass, Antisemitismus und für ein friedliches, von Respekt getragenes Miteinander in Deutschland wie Europa ausspricht. Mehr als 200.000 Menschen haben sich versammelt, um ein Zeichen für eine offene und freie Gesellschaft zu setzen. "Solidarität statt Ausgrenzung" lautete das Motto der #unteilbar-Demo.
Weil ich mich nicht teilen konnte, reihte ich mich nicht hinter dem EKBO-Banner ein, sondern im "queer-Block", zu dem das queere Stadtmagazin "Siegessäule", das Magazin L-Mag sowie zahlreiche Gruppen und Aktivistinnen und Aktivisten der Community aufgerufen hatten. Auch hier haben sich Tausende versammelt, um sich als engagierter Teil der Gesellschaft zu zeigen, der keine Lust darauf hat, sich gegen andere Gruppen ausspielen zu lassen. Selbst der "Bild" ist der queer-Block eine eigene Meldung wert, mit der wohlgelaunten Anmerkung, "dass sich dieser goldene Herbsttag wie ein CSD anfühlte". Und so zwischen "Lesben gegen Rechts"-Transparent, "Stoppt Homophie und Hate Speech"-Aufklebern, Schildern der Deutschen Aids-Hilfe und Einhorn-Luftballons, gemeinsam mit Queer Refugees und mit Drag-Queens stellte sich dieses Gefühl auch bei mir ab und an ein.
Es gab Kritik an der diffusen Mischung der Forderungen, der Unüberschaubarkeit der beteiligten Gruppen. Ich hätte nicht hinter jedem Banner des endlosen Demonstrationszuges laufen mögen und ich bin mir sicher, dass, hätte man bei manchen Gruppen nachgefragt, sie keine allzu große Sympathie für Lesben und Schwule, manche auch nicht für Christen oder für gläubige Menschen allgemein gezeigt hätten. Also ist man wirklich unteilbar?
Es sei an die evangelische Kirche erinnert. Sind wir unteilbar, weil wir uns als christliche Gemeinschaft verstehen? Ein aktuelles Schlaglicht aus Baden-Württemberg: Die "Waiblinger Kreiszeitung" berichtet online über eine dreitägige Veranstaltungsreihe "Kirche und Homosexualität", die mit einem Eklat endete, nachdem der Veranstaltung selbst ein Eklat vorausging. Eine Lesbe war, nachdem sie sich geoutet hatte, aus einer christlichen Gottesdienst-Band geschmissen worden. (Mehr darüber kann man hier oder hier nachlesen.) Ist das die evangelische Kirche, von der man Teil sein möchte? Wie oft tröstet man sich über die erbarmungslose und patriarchal-überhebliche Geste des einen Pfarrers mit dem Blick auf die Solidarität und Unterstützung durch andere Pfarrer und Gemeindemitglieder hinweg? Sollte man nicht lieber aus der evangelischen Kirche austreten, als im irgendwie christlichen Tross mitzumarschieren?
Zurück zur Demonstration am 13. Oktober 2018 in Berlin: Alles war friedlich an diesem sonnigen Tag, aber er war eben - wie ein CSD auch - nicht nur ein spaßiges Happening, sondern von einem großen Ernst und von Sorge getragen: dass nämlich hierzulande nur noch die inszenierte Wut "besorgter Bürger" das Bild und die Debatte prägt. Für mich war das starke Moment des Tages, dass so viele Menschen in guter Absicht zusammen sind, dass es, sei sie auch noch so unbestimmt, eine Vision eines Miteinanders gibt - eines besseren Miteinanders, einer besseren Zukunft etwa hinsichtlich Arbeit oder Umwelt. In gewisser Weise war die #unteilbar-Demo vielleicht nicht nur CSD, sie war auch ein bisschen wie Kirchentag oder auch ein wenig Gottesdienst.
Was bleibt? Ein positives Gefühl, ein sichtbares Zeichen, dass es sehr viele sind, die das Miteinander wollen - auch über Differenzen im Einzelnen hinweg. Dass sich niemand der naiven Hoffnung hingibt, es wäre mit einem Zeichen allein getan. Dass es aber trotzdem auch eines solch ermutigenden Zeichens bedurfte. Dass so viele Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans-Menschen selbstverständlich und selbstbewusst Teil dieser Gesellschaft sind und für ein Miteinander werben. Dass man sich als Einzelner zwar manchmal entscheiden muss, ob man im queer-Block oder in der Gruppe der evangelischen Kirche mitläuft, dass aber beides an diesem Tag okay gewesen wäre. Dass es an diesem Tag unteilbar war. Für einen Moment. Bis zum nächsten Moment. Hoffentlich bald!